Sie sind Geschäftsführerin oder Geschäftsführer eines Start-ups. Das Start-up fliegt aber nicht richtig und die Bruchlandung ist absehbar. Investoren möchten sich zurückziehen und verweigern frisches Geld. Das Team wird unruhig, die ersten Leute aus Ihrem Team wollen gehen. Deshalb die Frage: Was tun und vor allem wann tun, falls die Start-up-Pleite droht?
Warum Start-ups scheitern
Die Gründe, warum Start-ups pleitegehen, sind vielfältig. Auf der Webseite startupwissen.biz finden Sie eine Auflistung der 20 häufigsten Gründe, weswegen Start-ups scheitern.
Nach meiner persönlichen Erfahrung begründet auf zig Start-up Beratungen gehen Start-ups ganz einfach deshalb pleite, weil die Geschäftsidee nicht zündend genug ist. Das Start-up lockt nicht ausreichend Investoren und Kunden an und gerät in Schwierigkeiten.
Wie viele Start-ups scheitern und wie viele gehen pleite?
Gemäß den Statistiken schaffen es 90 % aller Start-ups nicht, erfolgreich und langfristig am Markt zu bestehen. Allerdings bedeutet das nicht, dass auch alle Start-ups, die scheitern, pleitegehen. Die meisten Start-ups in Schwierigkeiten werden verkauft oder verschmolzen oder abgewickelt, also ohne Insolvenz. Die Quote der Start-ups, die ein Insolvenzverfahren beantragen müssen, schätze ich auf 20 %.
Kleiner Ratgeber für die Geschäftsführung, wenn das Start-up droht zu scheitern
Start-up verkaufen oder verschmelzen
Für die Geschäftsführer kann das Warten auf einen Verkauf sehr unangenehm sein. Insbesondere, wenn das Start-up sich der roten Linie der Insolvenzreife nähert. Die Geschäftsführung ist hin- und hergerissen, zwischen Loyalität zu den Gesellschaftern und den eigenen Interessen.
Restrukturierungsverfahren
Das Restrukturierungsverfahren ist KEIN Insolvenzverfahren. Sondern es ist dem Insolvenzverfahren vorgeschaltet und soll dieses vermeiden.
Im Gegensatz zum Schutzschirmverfahren oder Insolvenz in Eigenverwaltung kann das Restrukturierungsverfahren nur Schulden kürzen. Sonstige Eingriffe wie etwa Gesundschrumpfen durch Personalabbau, Kündigung von Leasingverträgen usw. sind unzulässig.
Die Beschränkung der Wirkungen des Restrukturierungsverfahrens auf einen reinen Schuldenschnitt schränken die Anwendbarkeit erheblich ein. Muss das Start-up etwa seine Fixkosten wie die Gewerbemiete reduzieren, um wieder rentabel zu sein, hilft das Restrukturierungsverfahren nicht weiter.
Oft aber haben Start-ups genau das Problem, das mit dem Restrukturierungsverfahren lösbar ist: Die Schulden sind aus dem Ruder gelaufen. Die Rückzahlung eines Darlehns oder Tilgung steht an und dem Start-up fehlen die Mittel.
Das Restrukturierungsverfahren ist nur erlaubt, wenn die Insolvenzreife noch nicht eingetreten ist. Im Idealfall sollte sogar während des Restrukturierungsverfahrens die Insolvenzreife nicht eintreten.
Das bedeutet, dass das Restrukturierungsverfahren nur sehr vorausschauend anwendbar ist. Wer in letzter Minute kommt, hat das Nachsehen und muss auf die Insolvenz in Eigenverwaltung ausweichen.
Gerade für Start-ups in der Krise kann das Restrukturierungsverfahren ein fantastisches Werkzeug sein. Beispiel: Die Investoren sind sich uneinig. Die einen wollen weiteres Geld geben, die anderen nicht. In diesem Fall verbündet sich das Start-up mit den „willigen“ Investoren. Diese finanzieren das Restrukturierungsverfahren. Im Restrukturierungsverfahren werden die unwilligen Investoren durch geschickte Gruppenbildung überstimmt und deren Verbindlichkeiten gekürzt.
Im Ergebnis ist das Restrukturierungsverfahren für Start-ups also vorrangig dann interessant, wenn es darum geht, einen oder mehrere Darlehnsgeber zu kürzen.
Schutzschirmverfahren
Das Schutzschirmverfahren ist ein Insolvenzverfahren. Das bedeutet, das Unternehmen „gehört“ während der Verfahrensdauer der Gläubigergemeinschaft.
Das ist bei allen Insolvenzverfahren so. Der Insolvenzeröffnungsbeschluss „enteignet“ die Gesellschafter und das Unternehmen steht im Lager der Insolvenzgläubiger.
Der feine, aber bedeutende Unterschied besteht darin, von dem das Unternehmen während des Insolvenzverfahrens verwaltet wird.
- Verwaltet das Unternehmen ein Insolvenzverwalter, wird dieser für die Gläubiger (und für sich selbst) den maximalen Profit bei minimaler Arbeit holen wollen. Das Schicksal des Unternehmens und vor allem der Eigentümer ist ihm völlig egal. Deshalb bevorzugen Insolvenzverwalter stets die Liquidation des Start-ups oder den Verkauf.
- Im Schutzschirmverfahren hingegen verwaltet die bisherige Geschäftsführung das Unternehmen und kein Insolvenzverwalter, sondern ein Sachwalter. Man nennt dies: Eigenverwaltung. Darin besteht der Vorteil. Wer am Steuer sitzt, bestimmt den Kurs. Der Geschäftsführer kann das Unternehmen so durch das Schutzschirmverfahren führen, dass es nicht zerschlagen wird. Die Eigentümer verlieren ihr Unternehmen nicht.
Der Schuldenschnitt am Ende des Schutzschirmverfahrens erfolgt in einen Insolvenzplan. Im Insolvenzplan muss der Beweis angetreten werden, dass die Fortführung des Start-ups die Gläubiger finanziell besser stellt, als die Zerschlagung oder der Verkauf. Das gelingt in der Regel auch. Die Gläubiger werden aus wirtschaftlicher Vernunft für den Insolvenzplan stimmen.
Im Gegensatz zum Restrukturierungsverfahren kann man im Schutzschirmverfahren alle Verträge auflösen. Miet- und Arbeitsverträge unterliegen einer Kündigungsfrist von drei Monaten. Von allen anderen Verträgen kann sich das Start-up fristlos lösen. Weiterer Vorteil des Schutzschirmverfahrens ist das Insolvenzgeld. Das Start-up spart drei Lohnrunden ein.
Das Schutzschirmverfahren ist also für solche Fälle geeignet, wo nicht nur ein Schulden-, sondern auch ein Kostenproblem besteht.
Voraussetzung des Schutzschirmverfahrens ist wie beim Restrukturierungsverfahren, dass die Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzreife noch nicht eingetreten ist. Also sollte das Start-up das Schutzschirmverfahren rechtzeitig einleiten.
Insolvenz in Eigenverwaltung
Das Start-up wählt die Insolvenz in Eigenverwaltung, wenn nicht nur ein Schuldenproblem besteht, sondern auch ein Kostenproblem und die Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten ist.
Der Ablauf der Insolvenz in Eigenverwaltung und des Schutzschirmverfahrens sind fast identisch. Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist ein Schutzschirmverfahren zweiter Klasse.
Regelinsolvenzverfahren
Ist das Scheitern des Start-ups gewiss und hat das Start-up-Team keine Lust auf Rettung, beantragt die Geschäftsführung ein gewöhnliches Insolvenzverfahren.
Die Pflichten der Geschäftsführerinnen in der Regelinsolvenz bestehen darin, dass sie der Insolvenzverwalterin umfassend Auskunft über das Unternehmen erteilen müssen. Weitere Pflichten bestehen aber nicht. Insbesondere kann der Insolvenzverwalter den Geschäftsführer nicht zur Fortführung des Start-ups zwingen. Für den Geschäftsführer ist Schluss! Er kann nach Hause gehen und sich neuen Projekten widmen.
Ergebnis
Ihr Start-up droht zu scheitern. Dann überlegen Sie zunächst, ob Sie das Start-up fortführen wollen oder nicht. Wollen Sie das Start-up fortführen, stehen Ihnen das Restrukturierungsverfahren, die Insolvenz in Eigenverwaltung oder das Schutzschirmverfahren zur Verfügung. Welches Verfahren richtig ist, hängt ab von den Ursachen, weswegen das Start-up zu scheitern droht.
Wollen Sie das Start-up nicht fortführen, stellen Sie einfach einen Insolvenzantrag. Diesen besser früher als zu spät stellen.