Wie man einen Personaldienstleister saniert und vor dem Untergang rettet

Die Zeitarbeits- und Personalvermittlungsbranche steht vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte. Die aktuelle Wirtschaftskrise hat die Nachfrage nach flexiblen Personaldienstleistungen dramatisch einbrechen lassen. Unternehmen, die auf die Überlassung von Fach- und Führungskräften spezialisiert sind, sehen sich mit sinkenden Auftragseingängen, schrumpfenden Margen und einer zunehmend unsicheren Auftragslage konfrontiert. Viele Personaldienstleister kämpfen ums Überleben, denn die Fixkosten bleiben hoch, während die Umsätze rapide sinken. Insolvenzen drohen, und das Geschäftsumfeld wird härter.

Doch wie lässt sich ein Personaldienstleister in dieser schwierigen Situation sanieren und vor dem Untergang retten? In diesem Artikel beleuchten wir praxisnahe Ansätze, um Unternehmen dieser Branche zu restrukturieren, Kosten zu senken und ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern. Aktuelle Zahlen zeigen, dass die Lage für viele kritisch ist, aber es gibt auch Lösungen, die den Weg aus der Krise ebnen können.

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Aktuelle wirtschaftliche Lage der Personaldienstleister

Die deutsche Zeitarbeitsbranche verzeichnete im Jahr 2023 einen deutlichen Rückgang der vermittelten Arbeitnehmer. Schätzungen zufolge sank die Zahl der Zeitarbeitnehmer um etwa 10 % im Vergleich zum Vorjahr.

  • Marktentwicklung: Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat die Zahl der Zeitarbeiter in Deutschland seit Beginn der wirtschaftlichen Abschwächung im Jahr 2022 stark abgenommen. Im Jahr 2023 wurde ein Rückgang von etwa 12 % gegenüber dem Vorjahr verzeichnet. Die Nachfrage nach Fachkräften in bestimmten Sektoren, insbesondere der Produktion und Logistik, hat sich nicht erholt.
  • Insolvenzen: Eine Erhebung der Creditreform zeigt, dass die Zahl der Insolvenzanträge in der Zeitarbeitsbranche im ersten Halbjahr 2023 um 15 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen ist. Diese Entwicklung wird durch anhaltenden Kostendruck, insbesondere steigende Lohnkosten und stagnierende Margen, verstärkt.
  • Mitarbeiterabbau: Eine Umfrage des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP) ergab, dass 30 % der Personaldienstleister in den nächsten sechs Monaten planen, Mitarbeiter abzubauen, falls keine wirtschaftliche Erholung eintritt.

Krisenursachen – Fälle aus meiner Praxis

Die Gründe, warum Personaldienstleister in die Krise geraten, sind vielfältig und oft auf Entwicklungen im Markt zurückzuführen, die sie selbst nicht beeinflussen können. In den folgenden Beispielen möchte ich aus meiner eigenen Praxis berichten, welche spezifischen Herausforderungen ich bei der Sanierung von Personaldienstleistern erlebt habe und welche Lehren sich daraus ziehen lassen.

Produktionsausfälle beim Auftraggeber – Beispiel Automobilbranche

Ein besonders häufiger Fall ist die Krise, die durch Produktionsausfälle bei den Auftraggebern verursacht wird. Ein Beispiel aus meiner Praxis zeigt, wie ein Zeitarbeitsunternehmen durch Knebelverträge mit einem Automobilkonzern in Schwierigkeiten geriet. Der Konzern verpflichtete das Unternehmen, langfristig eine bestimmte Anzahl an Zeitarbeitern vorzuhalten, um im Bedarfsfall schnell reagieren zu können. Doch als es zu Produktionsausfällen kam, wurden diese Zeitarbeiter nicht mehr abgerufen, während das Unternehmen weiterhin die Personalkosten tragen musste. Diese Verträge erwiesen sich in der Krise als ruinös. Die teuren „Personalüberhänge“ konnten nur für eine begrenzte Zeit finanziert werden, bis die Liquidität aufgebraucht war. Solche unproduktiven Einsätze von Zeitarbeitern führen oft zu existenziellen Schwierigkeiten, insbesondere wenn keine Alternativen zur Auslastung dieser Mitarbeiter gefunden werden können.

Zusammenschlüsse von Auftraggebern – Beispiel Pflegebranche

Ein weiteres Krisenszenario betrifft den Zusammenschluss von Auftraggebern, wie es in der Pflegebranche häufig der Fall ist. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen kooperieren zunehmend, um Kosten zu senken und Personal effizienter einzusetzen. Ein Zeitarbeitsunternehmen, das Pflegepersonal an Kliniken vermittelte, sah sich plötzlich mit der Situation konfrontiert, dass durch solche Zusammenschlüsse eigenes Personal freigesetzt wurde. Die freigewordenen Pflegekräfte standen plötzlich wieder für den Arbeitsmarkt zur Verfügung, was den Bedarf an Zeitarbeit stark reduzierte. Für das betroffene Unternehmen führte dies zu massiven Auftragseinbrüchen und einem rapiden Rückgang der Vermittlungen. Diese Entwicklung zeigt, wie schnell sich der Markt für Zeitarbeitsunternehmen verändern kann, wenn Auftraggeber interne Lösungen finden.

Erhöhte Krankenquote nach Kurzarbeit – Beispiel Messebaubranche

Auch die Pandemie hat tiefe Spuren hinterlassen, nicht nur durch die wirtschaftlichen Einbußen, sondern auch durch die Auswirkungen der Kurzarbeit auf die Arbeitsmoral und Gesundheit der Mitarbeiter. In einem Fall hatte ein Zeitarbeitsunternehmen während der Pandemie seine Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, um die Personalkosten zu senken. Zwar war dies eine notwendige Maßnahme, um das Überleben des Unternehmens zu sichern, doch nach Beendigung der Kurzarbeit stieg der Krankenstand der Mitarbeiter erheblich. Viele Beschäftigte hatten sich in der Phase der Kurzarbeit an das reduzierte Arbeitspensum und die geringeren Anforderungen gewöhnt und waren später schwer zu motivieren, wieder volle Leistung zu erbringen. Dies führte zu erheblichen Ausfällen und Belastungen, die das Unternehmen in einer ohnehin angespannten Situation zusätzlich schwächten.

Personalknappheit und veränderte Arbeitsmoral – Beispiel Veranstaltungsbranche

Die Herausforderungen nach der Pandemie zeigten sich besonders in der Veranstaltungsbranche, wo die Nachfrage nach technischem Personal sprunghaft anstieg. Ein Personaldienstleister, der in diesem Bereich tätig war, hatte während der Pandemie gezwungenermaßen Personal abgebaut und sah sich nun plötzlich mit einer hohen Nachfrage konfrontiert, die er nicht erfüllen konnte. Viele der ehemaligen Mitarbeiter hatten sich in anderen Branchen neu orientiert, was die Wiedereinstellung erschwerte. Der Versuch, neues Personal zu gewinnen, stieß auf zusätzliche Schwierigkeiten, da der Arbeitsmarkt ausgedünnt war und die Arbeitsmoral vieler potenzieller Kandidaten sich verändert hatte. Dieser Engpass führte zu nicht erfüllten Aufträgen und Umsatzverlusten.

Interne Streitigkeiten und Abwanderung von Führungskräften

Ein weiteres Problem, das ich in mehreren Fällen erlebt habe, sind interne Streitigkeiten im Management und die Abwanderung von Schlüsselpersonen. In einem Fall vernachlässigte die Geschäftsführung eines Zeitarbeitsunternehmens über einen längeren Zeitraum die operative Führung, was zu Unregelmäßigkeiten und internen Spannungen führte. Mehrere ehemalige Manager gründeten eigene Firmen und warben sowohl Know-how als auch Kunden und Zeitarbeiter ab. Diese neuen Konkurrenten erschwerten es dem Unternehmen, die vertraglichen Pflichten gegenüber seinen Kunden zu erfüllen, da plötzlich nicht mehr genügend Zeitarbeiter zur Verfügung standen. Dies führte zu erheblichen Einbrüchen bei den Aufträgen und letztlich zu einer finanziellen Schieflage.

Diese Fallbeispiele verdeutlichen, wie unterschiedlich die Krisenursachen in der Zeitarbeitsbranche sein können. In allen Fällen zeigt sich jedoch, dass schnelle und gezielte Maßnahmen zur Restrukturierung entscheidend sind, um das Überleben des Unternehmens zu sichern. Dabei spielen Flexibilität und die Fähigkeit, auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren, eine Schlüsselrolle.

Warum mir die Zeitarbeitsbranche am Herzen liegt

Als Rechtsanwalt mit Spezialisierung auf die Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen habe ich hunderte Unternehmen durch schwierige Krisensituationen begleitet. Mein Fokus liegt auf gerichtlichen Sanierungsverfahren wie der Insolvenz in Eigenverwaltung, dem Restrukturierungsverfahren und dem Schutzschirmverfahren. Diese Verfahren bieten Unternehmen die Möglichkeit, sich selbst in scheinbar aussichtslosen Sitiationen zu sanieren, indem sie ihre Strukturen neu ordnen und finanzielle Altlasten abbauen.

In den letzten 18 Monaten habe ich einen signifikanten Anstieg an Personaldienstleistern gesehen, die meine Beratung in Anspruch nehmen. Ich habe es mir daher zum Ziel gesetzt, meine Erfahrung und mein Fachwissen gezielt in dieser Branche einzubringen, um Geschäftsführ zu ermutigen und ihnen Wege aus der Krise aufzuzeigen.

Aus meiner Erfahrung lässt sich ein Personaldienstleister besser als fast jede andere Branche durch eine Insolvenz in Eigenverwaltung sanieren. Besonders das dreimonatige Insolvenzgeld bietet einen enormen finanziellen Spielraum, den andere Branchen oft nicht in gleichem Maße nutzen können. Ein weiterer entscheidender Vorteil ist, dass Personaldienstleister in der Regel keine großen Anlagegüter wie Immobilien oder Produktionsmaschinen besitzen und Drittrechte kaum eine Rolle spielen.

In diesem Artikel möchte ich meine Erfahrungen weitergeben und zeigen, dass es auch in schwierigen Zeiten einen Weg gibt, Unternehmen zu retten und sie wieder wettbewerbsfähig zu machen. Die Zeitarbeitsbranche hat trotz der aktuellen Herausforderungen das Potenzial, sich erfolgreich zu restrukturieren – und ich möchte dabei helfen, dieses Potenzial zu nutzen.

Jörg Franzke

Rechtsanwalt, Dols | Franzke Rechtsanwälte und Notar, Berlin

Wie lässt sich die Krise bewältigen?

Zunächst versucht man es ohne Insolvenzverfahren und mit normalen Bordmitteln. Im Folgenden berichte ich von einigen praxisnahen Ansätzen, die sich bei der Restrukturierung von Personaldienstleistern in meiner Beratung als erfolgreich erwiesen haben.

Schließen Sie unrentable Niederlassungen

Ein erster Schritt besteht darin, unrentable Niederlassungen zu schließen, um die Betriebskosten drastisch zu senken. In Zeiten der Digitalisierung verlieren physische Büros zunehmend an Bedeutung, da viele Aufgaben wie Marketing, Arbeitnehmer-Recruiting und Kundenbetreuung online abgewickelt werden können. Die Präsenz auf sozialen Plattformen und in Online-Jobportalen ist wichtiger geworden. Ein Zeitarbeitsunternehmen, das ich beraten habe, reduzierte die Anzahl seiner Niederlassungen um die Hälfte, ohne dass es zu Einbußen im Geschäft kam.

Erweitern Sie ihr Angebot überregional

Die Erweiterung der überregionalen Dienstleistungsangebote ist ein weiterer wichtiger Schritt, um die Reichweite des Unternehmens zu vergrößern. Vor Ort ansässige Niederlassungen sind nicht mehr zwingend erforderlich. Ein Zeitarbeitsunternehmen, das zuvor stark lokal fokussiert war, stellte seinen Betrieb auf überregionale Angebote um und konnte so neue Märkte erschließen. Die digitale Präsenz ermöglichte es dem Unternehmen, in Regionen aktiv zu sein, in denen zuvor keine eigenen Büros betrieben wurden.

Fokussieren Sie sich auf lukrative Aufträge

Eine häufig vernachlässigte Strategie ist die gezielte Fokussierung auf lukrative Aufträge. Anstatt alle möglichen Aufträge anzunehmen, konzentriert sich das Unternehmen auf profitable Projekte mit klar definierten Kriterien – beispielsweise Mindeststundenlöhne ab 18 Euro und einem Faktor von 2,0 oder höher. Ein Unternehmen, das ich begleitet habe, führte eine zentrale Steuerung der Zeitarbeitnehmer (ZAN) ein und konnte dadurch effizientere Arbeitsabläufe und eine verbesserte Wirtschaftlichkeit erzielen.

Halbieren Sie Personal- und Fixkosten

Eine Strategie, die oft als „klein aber fein“ bezeichnet wird, konzentriert sich darauf, das Unternehmen zu einer schlankeren, agileren Organisation umzubauen. In einem konkreten Fall führte diese Umstrukturierung dazu, dass ein Zeitarbeitsunternehmen seine Fixkosten um fast 50 % reduzieren konnte, während es weiterhin in der Lage war, seine wichtigsten Kunden zu bedienen.

Fokussieren Sie sich auf HR-Dienstleistungen

Einige Personaldienstleister haben sich erfolgreich auf die Vermittlung und HR-Dienstleistungen spezialisiert. Diese Spezialisierung erlaubt es, tiefgreifendes Know-how in diesen Bereichen zu entwickeln und die Qualität der Dienstleistungen zu verbessern. Ein Unternehmen, das sich auf die Vermittlung hochqualifizierter Fachkräfte konzentrierte, konnte sich von Wettbewerbern abheben und ein stabiles Geschäft trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten aufbauen.

Überlassen Sie den Vertrieb externen Spezailisten

Eine weitere Strategie zur Kostenoptimierung ist das Outsourcing des Vertriebs an spezialisierte Agenturen. Dies gibt dem Personaldienstleister die Möglichkeit, von der Expertise und den Netzwerken der Agenturen zu profitieren und gleichzeitig die internen Fixkosten zu senken. In einem Fall entschied sich ein Zeitarbeitsunternehmen, seine Vertriebsaktivitäten komplett an eine Agentur auszulagern. Innerhalb weniger Monate konnte das Unternehmen so seinen Kundenstamm erweitern, ohne die eigenen Ressourcen zu strapazieren.

Die normalen Bordmittel zur Krisenbewältigung reichen nicht - Was nun?

Für viele Personaldienstleister kommt der Punkt, an dem die üblichen Maßnahmen zur Krisenbewältigung nicht mehr ausreichen. Ein solcher Moment wird spätestens dann erreicht, wenn das Unternehmen die nächste Lohnrunde für seine internen oder externen Mitarbeiter nicht mehr bezahlen kann. Ist die Zahlung der Löhne oder Sozialabgaben rückständig, gilt das Unternehmen als zahlungsunfähig im Sinne des Gesetzes – eine Situation, die einen Insolvenzantrag erfordert.

Wenn ein Personaldienstleister sein Unternehmen retten möchte, sollte er nicht das herkömmliche Insolvenzverfahren beantragen, sondern die Insolvenz in Eigenverwaltung.

Was ist eine Insolvenz in Eigenverwaltung?

Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist eine spezielle Form des Insolvenzverfahrens, die es dem Personaldienstleister ermöglicht, sich selbst zu sanieren, ohne die Kontrolle über das operative Geschäft zu verlieren. Im Gegensatz zum klassischen Insolvenzverfahren, bei dem ein Insolvenzverwalter die Kontrolle über das Unternehmen übernimmt, bleibt die Geschäftsführung weiterhin handlungsfähig. Der Geschäftsführer führt das Tagesgeschäft mit seinem Team wie gewohnt weiter.

Da die Geschäftsführung eines Personaldienstleisters nicht auf Insolvenzrecht und Sanierung spezialisiert ist, benötigt sie in diesem Prozess die Unterstützung eines erfahrenen Sanierungsberaters – wie mich. Gemeinsam entwicklen wir eine Sanierungsstrategie, um das Unternehmen wieder bestandsfähig zu machen und es anschließend mithilfe eines Insolvenzplans aus der Insolvenz zu führen.

Sowohl der Geschäftsführer als auch ich stehen unter der Überwachung des Insolvenzgerichts, das einen Sachwalter bestellt. Der Sachwalter hat eine ähnliche Rolle wie ein Aufsichtsrat: Er überwacht die Abläufe und stellt sicher, dass die rechtlichen Anforderungen des Insolvenzverfahrens eingehalten werden. Der Sachwalter hat umfassende Informationsrechte, er hat aber keine Entscheidungsbefugnis im Tagesgeschäft.

Wie ist der Ablauf der Sanierung eines Personaldienstleisters mit der Insolvenz in Eigenverwaltung?

Im Folgenden erläutere ich den detaillierten Ablauf der Insolvenz in Eigenverwaltung eines Personaldienstleisters anhand meiner Erfahrungen.

1. Schritt: Der Antrag auf Eigenverwaltung

Der erste Schritt ist die Erstellung eines umfassenden Antrags auf Eigenverwaltung. Damit das Insolvenzgericht der Eigenverwaltung zustimmt, muss es Vertrauen in die Fähigkeit und Integrität des Geschäftsführers haben. Das Gericht muss davon überzeugt sein, dass der Geschäftsführer „bereit ist, die Sanierungsmaßnahmen an den Interessen der Gläubiger auszurichten“. Dies wird durch einen detaillierten und überzeugenden Antrag erreicht, der in seiner Struktur einem Businessplan ähnelt.

Der Antrag enthält unter anderem, die Beschreibung des Unternehmens, die Krisenursachen, Maßnahmen zur Krisenbewältigung, Unternehmensplanung und Vergleichsrechnung, Skizze eines Insolvenzplans.

Ein gut durchdachter und professionell erstellter Antrag schafft Vertrauen und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht die Eigenverwaltung anordnet. Sobald der Antrag fertiggestellt ist, reichen wir ihn beim Insolvenzgericht ein. Zugleich schlagen wir dem Gericht einen Sachwalter vor. In vielen Fällen folgt das Gericht unserem Vorschlag, auch wenn die endgültige Entscheidung beim Gericht liegt.

2. Schritt: Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens

Etwa 2 bis 3 Tage nach der Einreichung des Antrags erlässt das Gericht einen Beschluss, mit dem es das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet. Die ersten Maßnahmen nach Verfahrenseröffnung sind:

  • Insolvenzgeld für die Mitarbeiter. Bei einer Bank nehme ich einen Kredit auf, sodass die Mitarbeiter sofort ihre Löhne zu 100 % ausgezahlt bekommen. Die Bank verrechnet diese Vorauszahlungen später mit der Agentur für Arbeit.
  • Zusammenarbeit mit dem Sachwalter: Im nächsten Schritt besprechen wir mit dem Sachwalter, wie er seine Überwachungsaufgabe wahrnehmen möchte. In der Regel wird ein wöchentliches Reporting vereinbart, das vor allem die Liquidität des Unternehmens und den Fortschritt der Sanierungsmaßnahmen umfasst.
  • Rechnungsabgrenzung: Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Rechnungsabgrenzung. Rechnungen, deren Leistungen vor dem Stichtag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, dürfen nicht mehr bezahlt werden. Diese Unterscheidung ist essenziell, um das Verfahren ordnungsgemäß durchzuführen.
  • Gläubigerausschuss: Größere Unternehmen ab 50 Mitarbeiter, 12 Mio. € Jahresumsatz oder 6 Mio. € Bilanzwert stehen zusätzlich unter der Überwachung eines Gläubigerausschusses. Dieser muss mit Informationen versorgt und „bespaßt“ werden.

3. Schritt: Tägliches Krisenmanagement und Vertrauensaufbau

Nach diesen ersten Maßnahmen beginnt die tägliche Herausforderung des Krisenmanagements. Vertrauen ist in dieser Phase ein besonders wertvolles Gut, das sowohl bei den Auftraggebern als auch bei den Mitarbeitern wieder aufgebaut werden muss. Die Insolvenz bringt oft einen Vertrauensverlust mit sich, und es bedarf intensiver Gespräche und Verhandlungen, um dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Da es sich um ein Sanierungsverfahren handelt und nicht um eine reguläre Insolvenz, gelingt dies in der Regel auch.

4. Schritt: Eröffnung des Hauptverfahrens

Nach etwa 2 bis 3 Monaten wird das Hauptverfahren eröffnet. Vor dieser Phase kommt es noch einmal zu einem intensiven Arbeitsaufwand, da der Sachwalter ein umfangreiches Gutachten über das Unternehmen erstellen muss. Dieses Gutachten ist entscheidend, da es die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und die Erfolgsaussichten der Sanierung bewertet. Dafür müssen wir dem Sachwalter viele detaillierte Informationen liefern.

5. Schritt: Beteiligung der Gläubiger

Sobald das Hauptverfahren eröffnet ist, werden die Gläubiger aufgefordert, sich am Insolvenzverfahren zu beteiligen und ihre Forderungen beim Sachwalter anzumelden. Diese Forderungen werden in der Insolvenztabelle erfasst und in einem Prüfungstermin bei Gericht geprüft. Dieser Termin findet etwa drei Monate nach Eröffnung des Hauptverfahrens statt. Hier wird entschieden, welche Forderungen anerkannt und welche möglicherweise bestritten werden.

6. Schritt: Der Insolvenzplan und seine Umsetzung

Nach dem Prüfungstermin erstellen wir den Insolvenzplan. Dieser Plan ist eine Art Teilzahlungsvergleich, der den Gläubigern eine Quote anbietet. Diese Quote liegt in der Regel bei wenigen Prozent, ist aber immer höher als das, was sie bei einer Liquidation des Unternehmens erhalten würden. In den meisten Fällen überzeugt dies die Gläubiger, den Plan anzunehmen.

Der Insolvenzplan ist eines der zentralen Instrumente der Insolvenz in Eigenverwaltung. Er wird den Gläubigern präsentiert und im Rahmen eines Abstimmungstermins vor Gericht beschlossen. Sobald die Gläubiger dem Plan zugestimmt haben, erfolgt die Auszahlung der Quote, und das Insolvenzverfahren wird später aufgehoben.

Ablauf der Insolvenz in Eigenverwaltung klingt einfach – wo ist der Haken?

Ich möchte nichts beschönigen: Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist kein Spaziergang. Vielmehr ist sie mit einer Operation am offenen Herzen vergleichbar – ein risikoreiches Verfahren, bei dem jederzeit unvorhersehbare Komplikationen auftreten können. Genauso wie der Patient während einer Operation sterben kann, besteht auch in der Eigenverwaltung das Risiko, dass das Unternehmen scheitert. Trotz ihrer Vorteile ist die Insolvenz in Eigenverwaltung kein Garant für Erfolg, und die Hürden auf dem Weg dorthin sind nicht zu unterschätzen.

Häufigste Komplikation: Der “gemeine” Sachwalter

Eine der größten Gefahren im Verfahren ist der Sachwalter. Obwohl seine Aufgabe lediglich in der Überwachung besteht, gibt es Fälle, in denen der Sachwalter sich nicht mit dieser Rolle zufriedengibt. Ein gemeiner Sachwalter ist jemand, der es vorzieht, dass das Verfahren in eine reguläre Insolvenz überführt wird, bei der er als Insolvenzverwalter die volle Kontrolle über das Unternehmen erhält. Um dies zu erreichen, versucht er, das Vertrauen in die Eigenverwaltung zu erschüttern. Dies kann durch das Vorbringen von Zweifeln an der Geschäftsführung oder durch das gezielte Herausstellen von Problemen im Sanierungsprozess geschehen. Solche Strategien können dazu führen, dass das Gericht die Eigenverwaltung aufhebt und den Sachwalter zum Insolvenzverwalter bestellt. In diesem Fall hat der Geschäftsführer keinen Einfluss mehr auf die Geschicke des Unternehmens.

Insolvenz in der Insolvenz

Trotz aller Erleichterungen, die eine Insolvenz in Eigenverwaltung bietet – wie das Aussetzen von Tilgungen, die Einstellung von Zahlungen auf unhaltbare Verträge oder den Liquiditätsvorteil durch das Insolvenzgeld – kann es dennoch passieren, dass das Unternehmen in der Krise keine ausreichenden Aufträge erhält. Wenn die Liquidität nicht ausreicht und das Unternehmen erneut zahlungsunfähig wird, kommt es zur Insolvenz in der Insolvenz. In diesem Fall bleibt nichts anderes übrig, als die Eigenverwaltung zurückzunehmen und das Unternehmen in einem regulären Insolvenzverfahren abzuwickeln.

Irreparabler Vertrauensverlust

Ein weiterer kritischer Punkt ist der Vertrauensverlust, der mit einer Insolvenz fast immer einhergeht. Trotz aller Bemühungen, das Vertrauen von Arbeitnehmern, Kunden und Banken aufrechtzuerhalten, gibt es Situationen, die unvorhersehbare Schwierigkeiten mit sich bringen. Beispiele aus meiner Praxis zeigen, dass Banken plötzlich das Geschäftskonto sperren, sobald sie von der Insolvenz erfahren. In einem solchen Fall muss man alle Hebel in Bewegung setzen, um das Konto wieder öffnen zu lassen – ein Problem, das oft Zeit und Nerven kostet.

Ein anderes Beispiel sind Auftraggeber, die das Verfahren nicht verstehen und plötzlich fristlos kündigen, weil sie befürchten, dass das Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, ihre Aufträge zu erfüllen. Auch hier ist es oft eine Herausforderung, durch intensive Kommunikation und Verhandlungen das Vertrauen wiederherzustellen und den Geschäftsbetrieb stabil zu halten.

Geschäftsführer haftet persönlich

Ein weiteres Risiko betrifft die Verflechtungen zwischen dem Unternehmen und dem Geschäftsführer. Gerade bei mittelständischen Unternehmen haftet der Geschäftsführer oft persönlich für Kredite des Unternehmens, die er durch Bürgschaften abgesichert hat. Das bedeutet, dass er nicht nur das Unternehmen, sondern auch sich selbst vor der Insolvenz schützen muss. Es ergibt wenig Sinn, das Unternehmen zu retten, während der Geschäftsführer persönlich in den finanziellen Ruin gerät. Diese Thematik ist unangenehm, muss aber frühzeitig angesprochen werden, um eine umfassende Sanierung zu gewährleisten – sowohl für das Unternehmen als auch für den Unternehmer.

Trotz dieser Risiken bietet die Insolvenz in Eigenverwaltung wenigstens eine realistische Chance auf Rettung, sowohl des Unternehmens, als auch des Geschäftsführers. Unternimmt der Geschäftsführer keinen Rettungsversuch mit der Eigenverwaltung, haftet er ebenfalls. Es kann also nur besser werden.

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Spezialfall Sekundärhaftung

Bei der Sanierung eines Personaldienstleisters im Rahmen der Insolvenz in Eigenverwaltung stellt die Sekundärhaftung eine besondere Herausforderung dar. Auftraggeber haften bekanntlich verschuldensunabhängig für nicht bezahlte Sozialabgaben und Lohnsteuern, falls das Zeitarbeitsunternehmen diese nicht begleichen kann. Diese Haftungsregelung führt verständlicherweise dazu, dass manche Auftraggeber verunsichert sind und befürchten, zur Kasse gebeten zu werden.

Es besteht die Gefahr, dass sie deshalb ihre Geschäftsbeziehungen abbrechen. Um diese Sorge zu entschärfen und die Auftraggeber zu halten, haben sich insbesondere zwei Strategien bewährt:

  1. Rabatt während des vorläufigen Insolvenzverfahrens: Eine Möglichkeit besteht darin, dem Auftraggeber während des vorläufigen Insolvenzverfahrens einen Rabatt anzubieten – beispielsweise 20 % auf den Rechnungsbetrag. Dieser Rabatt entspricht ungefähr dem potenziellen Verlust, den der Auftraggeber durch die Sekundärhaftung erleiden könnte. Mit diesem Entgegenkommen wird der Auftraggeber ermutigt, die Geschäftsbeziehung trotz der Insolvenz aufrechtzuerhalten.
  2. Ermächtigung zur Zahlung der Sozialabgaben: Die zweite, oft effektivere Strategie besteht darin, sich vom Gericht ermächtigen zu lassen, die Sozialabgaben und Lohnsteuern während des vorläufigen Insolvenzverfahrens weiterhin zu bezahlen. Mit dieser gerichtlichen Genehmigung wird sichergestellt, dass alle Abgaben korrekt abgeführt werden und das Risiko der Sekundärhaftung für den Auftraggeber entfällt. Dies schafft nicht nur Sicherheit, sondern stärkt auch das Vertrauen des Auftraggebers in das Sanierungsverfahren.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass Auftraggeber in fast all meinen bisherigen Fällen wohlwollend auf diese Maßnahmen reagiert haben. Es kam in keiner meiner Sanierungen zu einer Kündigung durch einen Auftraggeber aufgrund der Sekundärhaftung. Die offene Kommunikation und die proaktiven Maßnahmen zur Absicherung des Auftraggebers sorgen dafür, dass die Geschäftsbeziehungen stabil bleiben und die Sanierung nicht durch externe Faktoren gefährdet wird.

Schlusswort

Die Insolvenz in Eigenverwaltung bietet für Personaldienstleister eine echte Chance, sich aus einer wirtschaftlichen Krise zu befreien und gestärkt daraus hervorzugehen. Der Weg ist jedoch kein leichter – er gleicht einer Operation am offenen Herzen, bei der jede Entscheidung und jede Maßnahme gut überlegt sein muss. Mit einem klaren Sanierungsplan, der richtigen Beratung und einer strategischen Vorgehensweise kann der Personaldienstleister jedoch erfolgreich restrukturiert werden.

Es ist wichtig, sich den Risiken bewusst zu sein, sei es durch gemeine Sachwalter, den Vertrauensverlust oder das Risiko einer Insolvenz in der Insolvenz. Doch mit den richtigen Maßnahmen, wie der frühzeitigen Antragstellung, einer transparenten Kommunikation und der Nutzung der rechtlichen Möglichkeiten, lassen sich diese Hürden meistern.

Mein Ziel ist es, Personaldienstleistern in schwierigen Zeiten Mut zu machen und ihnen zu zeigen, dass selbst in einer Krise der Weg zur Sanierung und Restrukturierung möglich ist. Ich hoffe, dass dieser Artikel Ihnen wertvolle Einblicke und praktische Ansätze liefert, wie Sie Ihr Unternehmen retten und für die Zukunft aufstellen können.

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