Die Insolvenz in Eigenverwaltung ist für viele Unternehmen ein Weg, sich wirtschaftlich zu restrukturieren und gleichzeitig die Kontrolle über den Geschäftsbetrieb zu behalten. Doch gerade in arbeitsrechtlicher Hinsicht wirft dieses Verfahren viele Fragen auf: Was passiert mit bestehenden Arbeitsverhältnissen? Welche Besonderheiten gelten bei Kündigungen? Und welche Rechte und Pflichten hat der Arbeitgeber während des vorläufigen und eröffneten Verfahrens?
Dieser Beitrag gibt einen praxisnahen Überblick über die wichtigsten arbeitsrechtlichen Regelungen und zeigt auf, welche Gestaltungsspielräume Arbeitgeber im Rahmen einer Eigenverwaltung tatsächlich haben – von der Kündigung bis hin zur Weiterführung des Betriebs.
Das Wichtigste in Kürze:
Vorläufiges Insolvenzverfahren (Eigenverwaltung)
- Unternehmen bleibt Arbeitgeber
- Arbeitnehmer werden für drei Monate vom Staat bezahlt
- Keine Lohnsteuerzahlungen notwendig
- Keine Besonderheiten für die Kündigung von Arbeitnehmern
Insolvenzverfahren (Eigenverwaltung)
- Unternehmen bleibt Arbeitgeber
- Lohn wird wieder vom Unternehmen gezahlt (auch Lohnsteuer)
- Besonderheiten für die Abstimmung mit dem Betriebsrat
- Normen der Insolvenzordnung modifizieren Arbeitsrecht:
- Sonderkündigungsfrist von 3 Monaten (§ 113 InsO)
- Ordentliches Kündigungsrecht besteht immer (§ 113 InsO)
- Kein Sonderkündigungsrecht nach InsO
Arbeitsrecht im vorläufigen Insolvenzverfahren (Eigenverwaltung)
Das vorläufige Verfahren wird zeitnah nach Antragsstellung durch Beschluss des Insolvenzgerichtes eröffnet.
Insolvenzgeld und Sozialversicherungbeiträge
Für die Dauer des vorläufigen Insolvenzverfahrens werden die Arbeitnehmer des Unternehmens von der Bundesagentur für Arbeit in Form von Insolvenzgeld bezahlt. Das Insolvenzgeld ist steuerfrei gem. § 3 Nr. 2b EstG. Lohnsteuer fällt also nicht an. Ausgezahlt werden 100 % des Nettolohns. Zusätzliche Leistungen wie z.B. vermögenswirksame Leistungen sind nicht enthalten.
Die Sozialversicherungsbeiträge bestehen aus Arbeitgeberanteilen und Arbeitnehmeranteilen. Während der vorläufigen Insolvenz in Eigenverwaltung bezahlt das Unternehmen nur die Arbeitnehmeranteile. Die Zahlung erfolgt, damit der Geschäftsführer sich nicht strafbar macht. Später holt der Sachwalter die gezahlten Arbeitnehmeranteile mithilfe seines Anfechtungsrechtes von den Krankenkassen zurück. Dieses Geld fließt ebenfalls in die Insolvenzmasse und sorgt dafür, dass den Gläubigern eine bessere Quote angeboten werden kann.
Stellung als Arbeitgeber
Bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung bleibt die Arbeitgeberstellung gleich. Das Arbeitsverhältnis bleibt von der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens unberührt.
Kündigung von Arbeitnehmern
Sondervorschriften der Insolvenzordnung (§§ 113, 120 ff. InsO) gelten erst mit Insolvenzeröffnung. Daher gilt hier das normale Arbeitsrecht, vgl. KSchG, MuSchG, BGB, BetrVG usw.
Die Kündigung der Arbeitnehmer wird regelmäßig mit dem Sachwalter abgestimmt. Der Sachwalter hat gegen die Kündigung meist keine Einwände.
Bei den Kündigungen handelt es sich angesichts der wirtschaftlichen Krise des Unternehmens um betriebsbedingte Kündigungen. Hier müssen die Voraussetzungen vorliegen:
- dringende betriebliche Erfordernisse
- Wegfall des Arbeitsplatzes
- Keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit
- fehlerfreie Sozialauswahl
PRaxistipp
Zur Vorbereitung auf eine mögliche Kündigungsschutzklage ist es ratsam, die unternehmerische Entscheidung, die den Wegfall des Arbeitsplatzes begründet, umfassend und nachvollziehbar zu dokumentieren.
Maßnahmen mit Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters
Die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung ist nur wirksam, wenn der Sachwalter zustimmt gem. § 276a Abs. 1 S. 2, Abs. 3 InsO. Dies betrifft beispielsweise die Abberufung eines Geschäftsführers einer GmbH oder des Vorstandes einer AG.
Dieses Vorgehen wäre im vorläufigen Insolvenzverfahren unüblich. Es empfiehlt sich eine solche Neubestellung vor Antragsstellung umzusetzen.
Arbeitsrecht im Insolvenz-Hauptverfahren
Nach dem vorläufigen Insolvenzverfahren wird das endgültig Insolvenzverfahren eröffnet. Das endgültige Insolvenzverfahren wird eröffnet, nachdem die drei Monate Insolvenzgeld gezahlt worden sind. Mit der Verfahrenseröffnung treten die insolvenzspezifischen Rechtsfolgen in Kraft.
Insolvenzgeld und Sozialversicherungsbeiträge
Im Insolvenzverfahren wird kein Insolvenzgeld mehr gezahlt. Das Unternehmen muss die Arbeitslöhne wieder selbst bezahlen. Da der Geschäftsbetrieb fortgeführt wird, ist dies meist unproblematisch. Die Sozialversicherungsbeiträge sind wie üblich abzuführen.
Stellung als Arbeitgeber
Die Stellung als Arbeitgeber bleibt auch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unverändert.
Kündigung von Arbeitnehmern
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhält das Unternehmen neue Spielräume für die Kündigung:
- Die Kündigungsfrist beträgt nun maximal drei Monate. Dies gilt egal welche vertragliche, gesetzliche oder tarifliche Kündigungsfrist vereinbart wurde gem. § 113 S. 2 InsO.
- Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts gilt nicht. Der Arbeitgeber kann ordentlich kündigen gem. § 113 S. 1 InsO.
- Sonderregeln für die Vereinbarungen mit dem Betriebsrat gem. §§ 121 – 128 InsO.
Die Insolvenzordnung liefert kein eigenes Kündigungsrecht – es gelten hier vor allem die Vorgaben des KSchG (Kündigungsschutzgesetz). Eine betriebsbedingte Kündigung lässt sich angesichts der vorzunehmenden Sanierungsmaßnahmen im Insolvenzverfahren meist gut vertreten.
Betriebsvereinbarungen & Betriebsrat
Diese können mit einer dreimonatigen Frist gekündigt werden gem. § 120 Abs. 1 S. 2 InsO. Der Betriebsrat bleibt mit Insolvenzeröffnung bestehen.
Maßnahmen mit Zustimmungsvorbehalt des Sachwalters
Die Abberufung und Neubestellung von Mitgliedern der Geschäftsleitung ist nur wirksam, wenn der Sachwalter zustimmt gem. § 276a Abs. 1 S. 2 InsO. Dieses Vorgehen wäre im Insolvenzverfahren unüblich. Es empfiehlt sich eine solche Neubestellung vor Antragsstellung umzusetzen.
Fazit
Die Insolvenz in Eigenverwaltung verschafft Arbeitgebern mehr Flexibilität und Gestaltungsfreiheit, um das Unternehmen zielgerichtet zu sanieren. Besonders im Arbeitsrecht ermöglicht das Verfahren schnellere und wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen – etwa durch die verkürzte Kündigungsfrist und die Möglichkeit, sich auf betriebsbedingte Kündigungen zu stützen. Gleichzeitig bleiben grundlegende Schutzrechte der Arbeitnehmer gewahrt. Die Kombination aus insolvenzrechtlichen Sonderregelungen und bewährtem Arbeitsrecht schafft einen klaren Rahmen, in dem notwendige Restrukturierungen rechtssicher und effizient umgesetzt werden können.
FAQ – Arbeitsrecht in der Insolvenz in Eigenverwaltung
Wer zahlt den Lohn im vorläufigen Insolvenzverfahren?
Im vorläufigen Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung zahlt in der Regel die Bundesagentur für Arbeit den Lohn in Form von Insolvenzgeld (§ 165 SGB III). Dieses wird für drei Monate während des vorläufigen Insolvenzverfahrens gezahlt. Die Lohnzahlung durch den Arbeitgeber entfällt in dieser Phase weitgehend.
Was passiert mit arbeitsgerichtlichen Prozessen bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens?
Laufende arbeitsgerichtliche Verfahren werden gem. § 240 ZPO unterbrochen. Dies gilt für die Insolvenz in Eigenverwaltung im arbeitsrechtlichen Prozess gem. §§ 240 ZPO, 46 ArbGG, 86 InsO, 270 Abs. 1 S. 2 InsO.
Was passiert mit Ansprüchen auf betriebliche Altersvorsorge?
Ansprüche auf Altersvorsorge können insolvenzgeschützt sein oder in die Insolvenzmasse fallen. Insolvenzgeschützt heißt, dass die Ansprüche vor einer Insolvenz gesichert sind und fortbestehen. Jeder Wert der in die Insolvenzmasse fällt wird verwertet. Ob die Altersvorsorge insolvenzgeschützt ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Gesetzliche Regelungen finden sich unter anderem im BetrAVG (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung).
Was passiert mit dem Betriebsrat mit Insolvenzeröffnung?
Der Betriebsrat bleibt auch nach Insolvenzeröffnung in Eigenverwaltung bestehen. Das Anhörungsrecht gem. § 102 BetrVG bleibt erhalten. Der Betriebsrat ist bei Kündigungen weiterhin anzuhören. Bei Betriebsänderungen wird der § 112 BetrVG durch die § 121 InsO f.f. modifiziert.
Wer übt das Direktionsrecht in der Insolvenz aus?
Das Direktionsrecht des Arbeitgebers verbleibt bei einer Insolvenz in Eigenverwaltung beim schuldnerischen Unternehmen. Das gilt sowohl für das vorläufige Insolvenzverfahren als auch das Insolvenzverfahren. Der Sachwalter hat nur eine überprüfende Funktion. Der Schuldner bleibt in der operativen Steuerung verantwortlich.
Wie ist der Betriebsrat in Kündigungen während des vorläufigen Insolvenzverfahrens eingebunden?
Im vorläufigen Insolvenzverfahren gelten weiterhin die allgemeinen Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß anhören. Ohne eine solche Anhörung ist die Kündigung unwirksam.
Wie ist der Betriebsrat in Kündigungen während des Insolvenzverfahrens eingebunden?
Auch im eröffneten Verfahren bleibt die Anhörungspflicht des Arbeitgebers nach § 102 BetrVG bestehen. Ohne eine solche Anhörung ist die Kündigung unwirksam.
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