Ihre Arbeitnehmer sind das Wertvollste in Ihrem Unternehmen. Behandeln Sie die Arbeitnehmer im Schutzschirmverfahren wie rohe Eier. Ohne motivierte Belegschaft ist der Betrieb nicht sanierungsfähig. Um die Löhne pünktlich zu bezahlen, erhalten die Arbeitnehmer Insolvenzgeld.
Was bedeutet das Schutzschirmverfahren für Arbeitnehmer?
Das Arbeitsamt unterstützt die Arbeitnehmer. Das Insolvenzgeld beträgt 100 % der bisherigen Löhne und wird dreimal gezahlt. Um die Mitarbeiter zu halten, besteht ein „Full Service“ für Mitarbeiter im Schutzschirmverfahren. Sie müssen sich um nichts kümmern und vor allem sich nicht arbeitslos melden.
Sind Entlassungen unvermeidbar, gelten die üblichen Vorschriften zu Massenentlassung, Sozialauswahl und Interessenausgleich. Allerdings gelten auch die kurzen Insolvenz-rechtlichen Kündigungsfristen. Suchen Sie mehr Informationen zum Insolvenzgeld, werden Sie auf der Webseite der Arbeitsagentur fündig. Hier sind ein paar Beispiele:
- Broschüre der Arbeitsagentur zum Insolvenzgeld für Arbeitnehmer
- Antrag auf Insolvenzgeld Formular
- Arbeitsblatt zum Insolvenzgeld, betriebliche Altersvorsorge>
Schutzschirmverfahren, Folgen für Mitarbeiter
Erfahrungsgemäß sind die meisten Arbeitnehmer bereit, das Schutzschirmverfahren mitzutragen. Voraussetzung ist, dass die Geschäftsführung den Arbeitnehmern eine klare Erfolgsperspektive aufzeigen kann. Erklären Sie den Arbeitnehmern, dass das Schutzschirmverfahren zeitlich begrenzt ist. Trotzdem werden Ihre Arbeitnehmer mit der Bekanntgabe des Schutzschirmverfahrens zunächst verunsichert sein. Also müssen Sie auch bei den Arbeitnehmern wie immer im Schutzschirmverfahren um Vertrauen werben.
…wenn die Löhne pünktlich sind
Die wichtigste vertrauensbildende Maßnahme ist natürlich, dass die Mitarbeiter auch während des Schutzschirmverfahrens das Arbeitsentgelt lückenlos, fristgemäß und vollständig erhalten. Der Staat unterstützt das Unternehmen dabei in Form des Insolvenzgeldes. Das Insolvenzgeld steht den Mitarbeitern für die letzten drei Monate vor der Eröffnung des Insolvenz-HAUPT-Verfahrens zu. Das Insolvenzgeld deckt 100 % des Nettolohns vollständig ab. Die Mitarbeiter sind abgesichert und müssen keine Zahlungsausfälle befürchten.
Insolvenzgeld hilft allen
Das Insolvenzgeld hat im Schutzschirmverfahren eine überragende Bedeutung. Einerseits sind die Lohnansprüche der Arbeitnehmer in voller Höhe abgesichert. Andererseits kann das Unternehmen aufgrund eingesparter Personalkosten neue Liquidität aufbauen. Das Aussetzen von drei Lohnrunden wirkt wie eine Finanzspritze. Diese ist in der Regel notwendig, um den Geschäftsbetrieb fortzuführen. Der Überschuss des Insolvenzgeldes hilft später die Gläubiger abzufinden und um die Verfahrenskosten zu bezahlen.
Insolvenzgeldvorfinanzierung ermöglicht schnelle Lohnzahlung
Damit das Insolvenzgeld den Mitarbeitern pünktlich ausgezahlt werden kann, wird das Insolvenzgeld im Schutzschirmverfahren vorfinanziert. Die Insolvenzgeldvorfinanzierung ist also ein Vorschuss. Die Vorfinanzierung dient dazu, den langen Bearbeitungszeitraum der Agentur für Arbeit für das Insolvenzgeld zu überbrücken. Folgender Ablauf der Insolvenzgeldvorfinanzierung:
1. Kredit für die Vorfinanzierung
Als Sanierungsberater des Unternehmens beantrage ich zunächst einen Kredit für die Insolvenzgeldvorfinanzierung. Die kreditgebende Bank, mit der ich hier zusammenarbeite, ist die HSBC. Ich weiß nur das allerbeste von dieser Bank zu berichten. Die Kreditzusage erhalte ich innerhalb weniger Stunden.
2. Zustimmung der Arbeitsagentur einholen
Nachdem ich die Kreditzusage von der HSBC für die Insolvenzgeldvorfinanzierung eingeholt habe, werde ich Zustimmung der Arbeitsagentur zur Insolvenzgeldvorfinanzierung ersuchen. Ein bis zwei Tage später erlässt die Behörde den Bescheid und stimmt zu.
3. Berechnung der Vorfinanzierung
Parallel dazu beauftrage ich eine Spezialagentur für die Abwicklung der Insolvenzgeldvorfinanzierung. Den Arbeitnehmern mit Anspruch auf Insolvenzgeldvorfinanzierung hilft die Agentur schnell und umfassend.
4. Mitarbeiter unterschreiben Abtretungserklärung
Als vierten Schritt der Insolvenzgeldvorfinanzierung unterschreiben die Mitarbeiter eine Abtretungserklärung. Die HSBC lässt sich zur Sicherheit für den Kredit den gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers gegen die Arbeitsagentur auf das Insolvenzgeld abtreten. Ist die Abtretung erklärt, zahle ich sofort den Nettolohn aus.
Full Service für Arbeitnehmer im Schutzschirmverfahren:
Die Insolvenzgeldvorfinanzierung hat einen weiteren Vorteil für die Arbeitnehmer. Sie müssen sich um nichts kümmern. Insbesondere besteht keine Meldepflicht bei der Arbeitsagentur wegen Arbeitslosengeld. Auch die Insolvenzgeldbescheinigung übernimmt der Arbeitgeber. Der Arbeitsplatz bleibt im Schutzschirmverfahren aufgrund der Insolvenzgeldvorfinanzierung ja erhalten.
Betriebliche Altersvorsorge, Pensionen
In dem Zeitraum der Insolvenzgeldvorfinanzierung wird die betriebliche Altersvorsorge für drei Monate ausgesetzt. Den Mitarbeitern wird Gelegenheit gegeben, die drei Beiträge selbst zu bezahlen. Später erhalten sie diese auf Antrag von der Agentur für Arbeit erstattet. Später im Hauptverfahren übernimmt das Unternehmen die Löhne und die betriebliche Altersvorsorge wieder selbst.
Vorzeitiges Ausscheiden
Die Insolvenzgeldvorfinanzierung bezweckt den Erhalt der Arbeitsplätze. Kündigt ein Mitarbeiter im Insolvenzgeldzeitraum, entfällt sein Anspruch auf die Vorfinanzierung. Dann muss der ausscheidende Mitarbeiter das Insolvenzgeld selbst beim Arbeitsamt beantragen. Er erhält das Gehalt dann nicht mehr kurzfristig über die Kreditauszahlung. Sondern er muss das ausstehende Insolvenzgeld bei der Arbeitsagentur beantragen.
Bleibeprämien für Mitarbeiter
Im Schutzschirmverfahren geht es eher darum, die Mitarbeiter zu halten, anstatt sie loszuwerden. Sofern es die Liquidität hergibt, ist es im Schutzschirmverfahren möglich, bestimmte Mitarbeiter mit Prämien zum Bleiben zu motivieren.
So gehe ich regelmäßig und mit Erfolg vor, um das Abwandern etwa eines IT-Spezialisten zu verhindern. Das Auszahlen der Bleibeprämien darf natürlich nicht mit der Gießkanne erfolgen, sondern der Verbleib des Mitarbeiters muss maßgeblich für den Sanierungserfolg sein. Der Mitarbeiter könnte beispielsweise mir eine E-Mail schicken, dass er sich aufgrund der besonderen Erschwernisse mit dem Gedanken beschäftigt, das Unternehmen zu verlassen …
Auslagen der Mitarbeiter
Hier ist die schlechte Nachricht, dass Auslagen des Mitarbeiters nicht über das Insolvenzgeld abgerechnet werden. Hatte der Mitarbeiter unter anderem eine Zugfahrkarte verauslagt und möchte er die Auslagen nach der Insolvenzeröffnung verauslagt haben, hat er leider Pech gehabt. Sein Anspruch auf Erstattung seiner Auslagen wurde zur Insolvenzforderung und wird behandelt wie alle anderen Gläubiger auch.
Höchstgrenze des Insolvenzgeldes
Das Insolvenzgeld wird nur bis zu einer Höchstgrenze von ca. 4.000 EUR netto bewilligt. Liegt der Mitarbeiter darüber, kann das Unternehmen den Fehlbetrag aufstocken. Das Unternehmen bezahlt den darüber liegenden Lohn dann einfach aus eigener Tasche. Der Mitarbeiter hat keine Einbußen. Zweck der Aufstockung ist es, das Abwandern eines Leistungsträgers zu verhindern.
10 Tipps zum Schutzschirmverfahren
Lesen Sie die besten 10 Tipps für die erfolgreiche Sanierung Ihres Unternehmens. Aus meiner täglichen Beratungspraxis für Sie zusammengestellt.
Kündigung und Entlassung von Arbeitnehmern
Muss sich das Unternehmen das Personal abbauen, um wieder rentabel zu sein, muss die Geschäftsführung Kündigungen aussprechen. Der Aufwand und die Art und Weise der Arbeitnehmer-Kündigungen hängt ab, von der Unternehmensgröße, ob es einen Betriebsrat gibt und von der Anzahl der Entlassungen. Im Schutzschirmverfahren gelten die üblichen Regeln für die Kündigung bei Schwangerschaft und Schwerbehinderung.
Die Entlassung von mehr als fünf Mitarbeitern – auch zeitlich versetzt – setzt eine Massenentlassungsanzeige gegenüber der Arbeitsagentur voraus. Die Massenentlassungsanzeige muss die Geschäftsführung mindestens vier Wochen vor der geplanten Kündigungserklärung aussprechen. Allerdings ist im Insolvenzverfahren ein Antrag auf Verkürzung dieser Frist auf null möglich und wird in der Regel auch gewährt.
Der Betriebsrat im Schutzschirmverfahren
Der Betriebsrat hat im Schutzschirmverfahren keine über den üblichen Rahmen hinausgehende Rechte. Insbesondere muss die Geschäftsführung den Betriebsrat nicht in das Beantragungsverfahren des Schutzschirms einbeziehen. Ob und wann und auf welche Weise ein Schutzschirmverfahren beantragt werden soll, ist ausschließlich der Geschäftsführung vorbehalten. Der Betriebsrat hat keinerlei Mitspracherecht.
Gleichwohl ist die Einbeziehung im fortgeschrittenen Antragsstadium üblich. Die Geschäftsführung sollte den Betriebsrat unmittelbar vor der Abgabe des Schutzschirmantrages bei Gericht informieren. Besteht Einvernehmen mit dem Betriebsrat, kann der Betriebsrat nützliche Dienste erweisen. Bei der Betriebsversammlung zu Beginn des Insolvenzverfahrens sollte der Betriebsrat präsent sein und die Geschäftsführung unterstützen.
Muss oder soll ein Gläubigerausschuss gegründet werden, der das Schutzschirmverfahren begleitet und überwacht, schlägt die Geschäftsführung dem Betriebsratsvorsitzenden eine Mitgliedschaft vor.
Interessenausgleich mit dem Betriebsrat
Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss die Geschäftsführung vor dem Sozialplan einen Interessenausgleich gemäß § 125 InsO mit dem Betriebsrat durchführen. Den Interessenausgleich regeln Geschäftsführung und der Betriebsrat in einem Vertrag.
Geregelt wird in dem Vertrag über den Interessenausgleich folgendes:
- der Umfang des Personalabbaus, also wie viele Mitarbeiter will die Geschäftsführung entlassen
- die Durchführung des Personalabbaus, etwa die Beendigung von befristeten Arbeitsverträgen, Abschluss von freiwilligen Aufhebungsverträgen oder die Erklärung betriebsbedingter Kündigungen
- das Sozialpunkte-System der Sozialauswahl.
Üblich ist beim Sozialplan das folgende Punkteschema:
- Betriebszugehörigkeit: bis 10 volle Dienstjahre je Dienstjahr 1 Punkt, ab dem 11. Dienstjahr je Dienstjahr 2 Punkte (max. 30 Punkte)
- Lebensalter: für jedes volle Lebensjahr 1 Punkt, wobei lediglich die Lebensjahre bis zum 55. Lebensjahr berücksichtigt werden (maximal 55 Punkte)
- Unterhaltspflichten: je unterhaltsberechtigtem Kind 4 Punkte, Ehegatten 2 Punkte
- Schwerbehinderung: Schwerbehinderung bis 50 % Erwerbsminderung 5 Punkte, je weitere 10 % Erwerbsminderung jeweils 1 Punkt (maximal 10 Punkte)
Arbeitnehmer, deren Arbeitsplatz aufgrund des in diesem Interessenausgleich geregelten Personalabbaus wegfallen kann, haben einen Anspruch auf eine Freistellung von 2 Tagen in Form von Sonderurlaub unter Fortzahlung der Vergütung zur Stellensuche. Diese Arbeitnehmer haben außerdem Anspruch auf eine bevorzugte, zeitnahe Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses.
Schutzschirmverfahren und Sozialplan
Der Sozialplan für die Massenentlassung wird im Schutzschirmverfahren nach dem üblichen Sozialpunkte-System aufgestellt, wie bei einem zahlungsfähigen Unternehmen. Das Sozialpunkte-System definieren die Geschäftsführung und der Betriebsrat in einem Interessenausgleich, siehe unten.
Gemäß § 123 InsO gilt für den Sozialplan im Schutzschirmverfahren jedoch die Besonderheit, dass die Abfindung an die Mitarbeiter dreifach „gedeckelt“ ist:
Deckel 1: Für die Abfindung kann maximal ein Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten (§ 10 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes) der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen werden.
Deckel 2: Für die Abfindung darf nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne einen Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde.
Deckel 3: Übersteigt der Gesamtbetrag aller Sozialplan-Forderungen diese Grenze, so sind die einzelnen Forderungen anteilig zu kürzen.
Im Ergebnis bleibt leider für die Abfindung der ausscheidenden Mitarbeiter wegen der dreifachen Deckelung nicht allzu viel übrig.
Kündigungsfristen von Arbeitnehmern im Schutzschirmverfahren
Die Kündigungsfrist von Arbeitsverträgen in einem Schutzschirmverfahren ist in § 113 InsO geregelt. Die maximale Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Wird etwa das Insolvenz-HAUPT-Verfahren am 01.06. eröffnet, wäre das Arbeitsverhältnis am 30.09. beendet.
Zu diesem Anlass möchte ich nochmals auf den Ablauf eines Schutzschirmverfahrens hinweisen: Das Schutzschirmverfahren teilt sich auf in das vorläufige Insolvenzverfahren und in das Hauptverfahren.
Das Sonderkündigungsrecht gemäß § 113 InsO mit der Kündigungsfrist von maximal drei Monaten besteht erst ab dem Hauptverfahren und nicht im vorläufigen Insolvenzverfahren.
Steht eine umfangreiche Massenentlassung an, könnte die Geschäftsführung versuchen, dass das Insolvenz-HAUPT-Verfahren nicht wie üblich zum Monatsersten eröffnet wird, sondern bereits am 30. des Vormonates. Dann könnte die Geschäftsführung den Arbeitnehmern die Kündigung noch am selben Tag zustellen und es wäre ein Monat an Kündigungsfrist gespart.