Wenn Ihr Unternehmen in eine finanzielle Schieflage geraten ist, kommen Insolvenz oder Sanierung als Optionen infrage. Seit dem 01.01.2021 steht hierfür das neue Mittel des Restrukturierungsverfahrens (StaRUG) zur Verfügung, das bislang relativ unbekannt ist. Es ist der Insolvenz eines Unternehmens vorgeschaltet und soll diese verhindern. Mit dem StaRUG lassen sich Finanzverbindlichkeiten kürzen, also beispielsweise Kredite wie die Corona-Liquiditätshilfen der KfW. Sollte eine Restrukturierung nicht mehr möglich sein, weil in Ihrem Unternehmen bereits die Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist, wäre es immer noch besser, das Schutzschirmverfahren zu beantragen oder die Insolvenz in Eigenverwaltung durchzuführen. Auch damit lässt sich Ihr Unternehmen noch retten.
Insolvenz oder Sanierung: Was regelt das StaRUG?
Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (kurz StaRUG) setzt die EU-Restrukturierungsrichtlinie in Deutschland um und verknüpft sie mit dem Restrukturierungsrecht, das dem Insolvenzrecht nahesteht. Seine Regelungen folgen nahtlos der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, die ab 2020 per COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz galt.
Im Wesentlichen regelt das StaRUG die Risikofrüherkennung in einem Unternehmen. Sein § 1 sieht die fortlaufende Risikofrüherkennung und damit verbunden das frühzeitige Krisenmanagement durch den Geschäftsführer bzw. geschäftsführenden Unternehmer vor. Ergänzend bestimmen seine §§ 101, 102 noch Informationen zur Frühwarnung durch das BMJV (Bundesjustizministerium) und gleichzeitig eine gesetzliche Hinweispflicht durch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, die bei einer Erstellung Ihres Jahresabschlusses offenkundige Anhaltspunkte für eine mögliche Zahlungsunfähigkeit oder einen anderen Insolvenzgrund erlangen.
Kern des StaRUG: der Restrukturierungsplan
Der Restrukturierungsplan ist der Kern des StaRUG. Er bietet Ihnen fast die gleichen Optionen wie ein Insolvenzplan und ähnelt diesem daher inhaltlich stark, jedoch entscheidet er die Fragestellung Insolvenz oder Sanierung zunächst zugunsten einer versuchten Sanierung. Sie können ihn aufstellen (lassen), wenn das Stadium drohender Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Er erlaubt es Ihnen, bis auf wenige Ausnahmen wie Gehälter und betriebliche Altersversorgung sämtliche Verbindlichkeiten des Unternehmens einzubeziehen, wozu aber keine Pflicht besteht. Es wäre beispielsweise auch möglich, nur die Finanzgläubiger einzubeziehen. Die Gesellschafter lassen sich ebenfalls in den Restrukturierungsplan einbeziehen. Er erlaubt die verschiedensten inhaltlichen Regelungen, so unter anderem:
- Stundungen
- Forderungsverzichte
- Anpassung von Bedingungen
- Kapitalerhöhungen
- Debt-to-Equity-Swaps (Umwandlung von Krediten in Aktien oder Anteile)
- Kapitalschnitt bei gleichzeitiger Ausgabe neuer Anteile, wenn sich hierfür ein Investor findet
Ziel des Restrukturierungsplans
Das Ziel des Restrukturierungsplans besteht darin, die Insolvenz zu verhindern und das Unternehmen zu erhalten. Die getroffenen Maßnahmen müssen diesem Ziel entsprechen, das schreibt die EU-Restrukturierungsrichlinie vor. Die Insolvenzvermeidung ist daher im Restrukturierungsplan konkret darzustellen.
Er ist gültig, wenn ihm innerhalb der betroffenen Parteien (Gesellschafter und Gläubiger) Personen zustimmen, die zusammen über 75 % Anteile bzw. Forderungen verfügen. Stimmenthaltungen gelten als Zustimmung. Die Abstimmung über den Restrukturierungsplan kann außergerichtlich erfolgen, die Geschäftsführung des Unternehmens kann sie vorschlagen und überwachen. Wenn dem die anderen Parteien nicht zustimmen, ist ein gerichtlicher Abstimmungstermin möglich, den das Restrukturierungsgericht festsetzt.
Dieses kann auch per Beschluss fehlende Zustimmungen ersetzen, wenn hierfür bestimmte Voraussetzungen gegeben sind (etwa die Nichterreichbarkeit/Abwesenheit einzelner Gesellschafter oder Gläubiger). Wenn das Gericht den Restrukturierungsplan bestätigt, sind alle betroffenen Parteien daran gebunden, auch die ablehnenden Gläubiger und ablehnende Gesellschafter. Ausgenommen davon sind unbekannte Gläubiger. Diese Regelung ähnelt der beim Insolvenzantrag, der auch nur bekannte Gläubiger berücksichtigen kann.
Unterstützung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens durch gerichtliche Maßnahmen
Das Gericht kann die Verhandlungen über den Restrukturierungsplan und die Umsetzung des durch ihn festgelegten Rahmens durch geeignete Maßnahmen unterstützen. Nötig ist dies besonders in Fällen, bei denen einzelne Parteien den Plan abgelehnt haben, nun aber von ihm betroffen sind. Es stehen für den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen diese juristischen Instrumente zur Verfügung:
- gerichtliche Planabstimmung (Planbetroffenenversammlung unter gerichtlicher Leitung)
- gerichtliche Vorprüfung einzelner Fragen des Restrukturierungsplans, um frühzeitig Rechtssicherheit bezüglich strittiger Fragen zu erlangen
- Stabilisierungsanordnung, welche eine individuelle Rechtsverfolgung durch vollstreckende Gläubiger oder Sicherungsgläubiger unterbindet
- gerichtliche Bestätigung des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens, welche diesen auch gegenüber ablehnenden Planbetroffenen wirksam macht
Das Oberlandesgericht am Hauptsitz des Unternehmens fungiert hierfür als Restrukturierungsgericht. Das Unternehmen muss die juristischen Instrumente des Restrukturierungsplans nicht beantragen, es zeigt vielmehr beim Gericht sein Restrukturierungsvorhaben an. Zulässig ist diese Anzeige, wenn das Gericht die Restrukturierungsfähigkeit des Unternehmens feststellt.
Diese ist mit der Insolvenzfähigkeit des Unternehmens verknüpft. Natürliche Personen können nur bei entsprechender unternehmerischer Tätigkeit den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen beanspruchen. Für die private Insolvenz ist er nicht vorgesehen. Mit der Anzeige des Unternehmens ist die Restrukturierungssache rechtshängig. Ihre einzelnen Instrumente unterliegen jeweils gesonderten inhaltlichen Voraussetzungen. Die materielle Grundvoraussetzung für die Gültigkeit des Restrukturierungsplans ist eine drohende Zahlungsunfähigkeit.
Aufhebung der Restrukturierungssache
Die Restrukturierungssache kann vom Gericht aufgehoben werden, womit der Unternehmer die Instrumente des Restrukturierungsrahmens verliert. Diese Aufhebung erfolgt unter anderem, wenn die Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit nicht mehr abzuwenden sind und die Fortführung des Restrukturierungsplans auch nicht mehr im Interesse der Gläubiger ist. In so einem Fall entscheidet sich die Fragestellung Insolvenz oder Sanierung eher zugunsten der Insolvenz, die aber auch geplant ablaufen und somit das Unternehmen retten kann (siehe oben).
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Möglicher Einsatz eines Restrukturierungsbeauftragten
Das Gericht kann einen Restrukturierungsbeauftragten einsetzen, jedoch ist dieser Einsatz anders als bei einer Insolvenz (Insolvenzverwalter) nicht zwingend. Darüber hinaus hat der Restrukturierungsbeauftragte eher als ein Insolvenzverwalter eine überwachende, keine ausübende Funktion. Allein deshalb ist bei der Fragestellung Insolvenz oder Sanierung Letztere per Restrukturierungsplan immer zu bevorzugen, wenn die Umstände dies erlauben. Während der Verhandlungen zur Restrukturierungssache und ihrer Rechtshängigkeit bleibt die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis grundsätzlich beim Unternehmen. Bei einer konventionellen Insolvenz geht sie auf den Insolvenzverwalter über, allerdings behält die Geschäftsführung bei der Insolvenz in Eigenverwaltung ebenfalls weitgehende Verfügungs- und Verwaltungsrechte. Die Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten, die auch entfallen kann, ist in diesen Fällen zwingend:
- Die Restrukturierung führt zu Eingriffen in Verbraucherrechte.
- Es sind KMU betroffen.
- Der Restrukturierungsplan sieht den Einsatz eines Restrukturierungsbeauftragten von vornherein vor.
- Das Gericht verfügt eine Stabilisierungsanordnung gegen die Mehrheit oder gar alle Gläubiger.
- Es sind fehlende Zustimmungen zum Plan durch ganze Gläubigergruppen absehbar.
- Das Unternehmen und/oder ein Gläubigerquorum beantragen die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten.
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Sanierungsmoderation nach den §§ 94 – 100 StaRUG
Die §§ 94 – 100 StaRUG sehen eine Sanierungsmoderation schon als Vorstufe des gerichtlich angeordneten Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens vor. Diese kommt für Unternehmen infrage, die noch nicht zahlungsunfähig sind, aber voraussichtlich in Schwierigkeiten geraten werden. Das Gericht bestellt für sie einen Sanierungsmoderator, der auf einen einvernehmlichen Sanierungsvergleich mit allen oder den wichtigsten Gläubigern hinwirkt. Wenn der Sanierungsvergleich vereinbart werden kann, bestätigt ihn das Gericht. Diese Vereinbarung ist in einem möglichen späteren Insolvenzverfahren nur schwer anfechtbar.
Insolvenz oder Sanierung: Frühwarnsysteme helfen
Als Fazit lässt sich konstatieren, dass sich die Insolvenz durch die Anwendung des StaRUG vermeiden lässt und dass es darüber hinaus Frühwarnsysteme zur Krisenerkennung gibt. Es existieren Indikatoren, die vor einer möglichen Krise warnen. Zu diesen gehören:
- veränderte Marktbedingungen (extern)
- neue Wettbewerbseinflüsse (extern)
- globale Krisen wie Corona, Krieg oder ein Klimaereignis (extern)
- unzureichende Unternehmenskommunikation (intern)
- unzureichende Finanzplanung (intern)
- mangelnde Anpassung an technologische Entwicklungen (intern)