Die schwierige wirtschaftliche Lage hinterlässt selbst bei soliden Freiberuflern wie Ärzten, Steuerberatern oder Architekten tiefe Spuren. Entsteht zusätzlich im privaten Bereich ein Engpass – z.B. aufgrund eines unglücklichen Immobilienengagements – ist die Regelinsolvenz für Freiberufller nicht mehr vermeidbar. Lesen Sie meinen Ratgeber für Freiberufler vor der Insolvenz.

Verlauf der Regelinsolvenz für Freiberufler

Der Ablauf der Regelinsolvenz beginnt, indem der Betroffene beim Insolvenzgericht einen  Eröffnungsantrag stellt. Den Antrag stellt der Freiberufler am besten über einen Anwalt für Regelinsolvenz, sehr gerne über mich. Nachdem wir den Insolvenzantrag für den Freiberufler bei Gericht eingereicht haben, eröffnet das Gericht das Regelinsolvenzverfahren. Ca. drei Wochen später bittet ein vorläufiger Insolvenzverwalter den Antragsteller zu einem Informationsgespräch.

Dort werden die Vermögensverhältnisse ermittelt und geprüft, ob ein Eröffnungsgrund – Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – besteht. Das Ergebnis hält der Insolvenzverwalter in einem Gutachten fest und übergibt es dem Gericht. Sodann wird das Gericht die Eröffnung beschließen. Weil der Freiberufler als Privatperson die Stundung der Verfahrenskosten erhält, ist eine Ablehnung mangels Masse ausgeschlossen.

Nun beginnt die eigentliche Arbeit des Insolvenzverwalters. Grob zusammengefasst besteht sie aus zwei Aufgaben: Versilbern des gesamten Vermögens zu Geld und Verteilen des Geldes an die Gläubiger entsprechend deren Quote.

Nach der Ausschüttung an die Gläubiger ist das eigentliche Insolvenzverfahren abgeschlossen. Je nach Aufwand wird der Verwalter ca. ein Jahr benötigen. Auf das Insolvenzverfahren folgt die Wohlverhaltensperiode. Während dieser Zeit muss der insolvente Freiberufler den pfändungsfreien Teil seiner Einkünfte abführen. Am Schluss der Wohlverhaltensperiode wird das Insolvenzgericht die Schulden für erledigt erklären. Der Betroffene ist schuldenfrei.

Dichtmachen oder weitermachen?

Die Entscheidung, ob der insolvente Freiberufler die Praxis weiterführen darf oder nicht, trifft der Insolvenzverwalter in Absprache mit den Gläubigern. Entscheidungsrelevant sollte dabei sein, welcher Weg den Gläubigern die größere Befriedigung verschafft:

Empfiehlt es sich, die Praxis dichtzumachen und alles vorhandene Vermögen zu versilbern? Oder lässt man den Freiberufler weiter praktizieren, in der Erwartung, dass er in den nächsten Jahren wieder gute Einkünfte erzielt? 

Im letztgenannten Fall wird die Praxis dann häufig der Eigenverwaltung des Freiberuflers unterstellt. Das heißt, er kann eigenverantwortlich weiter wirtschaften, muss aber einen gewissen Teil der Gewinne an die Insolvenzmasse abführen.

Nicht mehr jede Freiberufler-Praxis wird geschlossen

Zumindest früher wurden insolvente Freiberufler-Praxen üblicherweise geschlossen und unabhängig davon, ob eine positive Prognose bestand. Insolvenzverwalter bevorzugen ein einfaches Verfahren ohne Haftungsrisiko. Erst in den letzten Jahren ist ein Sinneswandel eingetreten und insbesondere jüngere, verantwortungsvolle Insolvenzverwalter sind einer Fortführung der Praxis trotz persönlichem Mehraufwand nicht mehr grundsätzlich abgeneigt.

Das heißt aber noch lange nicht, dass der Insolvenzverwalter jede Praxis automatisch fortführt. Vielmehr muss er überzeugt werden. Die Überzeugungsarbeit erfolgt mittels erstklassiger Transparenz sämtlicher Betriebszahlen und einer günstigen Prognose, möglicherweise sogar in Form eines regelrechten Businessplans.

Darüber hinaus muss der Insolvenzverwalter ein gewisses Vertrauen in die kaufmännischen Fähigkeiten des insolventen Freiberuflers fassen. Er muss dem Freiberufler zutrauen, dass er die Praxis/Kanzlei fortführen kann. Schließlich muss die Befürchtung des Insolvenzverwalters widerlegt werden, dass es trotz neu eingegangener Verbindlichkeiten zu keiner Schmälerung der Insolvenzmasse kommen kann. Ein gutes Konzept und zähe Verhandlungen mit dem Verwalter versprechen erfahrungsgemäß den größten Erfolg, dass der Freiberufler die Praxis fortführen kann.

Insolvenzplan für Freiberufler in der Regelinsolvenz

Konnte der Insolvenzverwalter von dem Erhalt der Praxis/Kanzlei überzeugt werden, empfiehlt sich als nächster Schritt per Insolvenzplan zu regeln, wie das Verfahren im Einzelnen fortgeführt wird. Bei Freiberuflern taugen die gesetzlichen Regelungen der Insolvenzordnung nur bedingt. Deswegen ist ein individueller Insolvenzplan für Freiberufler die erste Wahl.

Dies gilt insbesondere für Ärzte. Für diese Berufsgruppe besteht derzeit eine erhebliche Rechtsunsicherheit, ob sie ihre Honoraransprüche gegen die Kassenärztliche Vereinigung als Kreditsicherheit rechtswirksam abtreten durften. Hierzu hat der Bundesgerichtshof noch keine Stellung bezogen. Sieht das Gericht eines Tages derartige Abtretungen als wirksam an, so hätte dies eine erhebliche Schmälerung der Insolvenzmasse zur Folge. Das gesamte Honorar würde zunächst dem Kreditinstitut zufließen und um die Zukunft der Praxis ist es schlecht bestellt.

Diese Rechtsunsicherheit kann nur in einem Insolvenzplan beseitigt werden. Dem bevorrechtigten Kreditinstitut muss klargemacht werden, dass es bei einem Beharren auf dem Absonderungsrecht leer ausgeht, weil dann die Praxis/Kanzlei geschlossen wird. Kommt es zur Annahme des Insolvenzplans, muss der Freiberufler auch keine sechsjährige Wohlverhaltensperiode mehr durchlaufen und ihm droht keine Versagung der Restschuldbefreiung mehr.

Freigabe der Praxis oder Kanzlei aus der Insolvenzmasse

Schließlich ist in der Regelinsolvenz für Freiberufler auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass der Insolvenzverwalter die Praxis/Kanzlei auch freigeben kann. Mittels der Freigabe des Geschäftsbetriebes aus der Insolvenzmasse kann der Insolvenzverwalter einzelne Gegenstände – oder die gesamte Praxis – aus der Insolvenzmasse in das freie Vermögen des Schuldners zurückführen. Die Freigabe verhindert, dass die Insolvenzmasse weiter geschmälert wird. Der Insolvenzverwalter muss nicht sehenden Auges hinnehmen, dass der Schuldner durch sein Weiterwirtschaften neue Verbindlichkeiten produziert und dadurch die Insolvenzmasse verringert. Die Entscheidung über die Freigabe erfordert, dass die Gläubiger zustimmen. In der Regel werden dem Betroffenen vor einer Freigabe alle werthaltigen Gegenstände weggenommen.

Die Freigabe der Praxis/Kanzlei aus der Insolvenzmasse ist gerade für Freiberufler eine interessante Wahl. Um den Gläubigen und Insolvenzverwalter diesen Weg schmackhaft zu machen, könnte sich der Freiberufler beispielsweise verpflichten, für die nächsten 5 Jahre einen Teil seiner Einkünfte an die Gläubiger abzuführen.

Wie viel Einkommen muss der Freiberufler abführen?

Hierzu besteht lediglich eine Richtlinie des Bundesgerichtshofs, wonach der Freiberufler seine Insolvenzgläubiger mittels Zahlungen an den Insolvenzverwalter so stellen muss, als wäre er ein angemessenes Arbeitsverhältnis eingegangen. Die unklare Regelung bewirkt, dass letztendlich die Gläubiger den Umfang der abzuführenden Beträge bestimmen. Weil der Insolvenzverwalter nicht für falsche Entscheidungen haften will, wird er die Zustimmung der Gläubiger einholen und nur den Betrag festsetzen, mit dem die Gläubiger einverstanden sind.

Berufsverbot aufgrund Insolvenz?

Je nach Branche kann dem Freiberufler ein Berufsverbot seitens seiner Kammer drohen. Davon sind insbesondere Steuerberater, Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer betroffen, also alle Berufsgruppen, die mit dem Geld ihrer Mandanten in Berührung kommen. Ärzte und Architekten hingegen haben keine Sanktionen zu befürchten. Die berufsständischen Regeln für Ärzte und Architekten sehen kein Berufsverbot wegen ungeordneter Vermögensverhältnisse vor. Droht ein Berufsverbot, sollte der Betroffene offensiv das Gespräch mit seiner Kammer suchen.

Beispielsweise konnte bei einem insolventen Rechtsanwalt das Berufsverbot verhindert werden, indem er sich bei einem Kollegen anstellen ließ, die eigentliche Verantwortlichkeit über Mandantengelder also von ihm genommen wurde.

Doch nicht immer gelingt es, den Insolvenzverwalter davon zu überzeugen, dass die Praxis/Kanzlei fortgeführt wird. Zwar besitzt der Insolvenzverwalter nicht das Recht, ein direktes Verbot gegen die Praxis oder gar gegen die berufliche Selbstständigkeit des Freiberuflers auszusprechen. Dem stehen verfassungsrechtliche Gründe entgegen. Aber er besitzt genügend indirekte Möglichkeiten, die Kanzlei / Praxis zu schließen.

Er verwertet etwa die Praxiseinrichtung oder nimmt den Schlüssel zu den Räumen weg. Oder er kündigt das Mietverhältnis oder belässt keinerlei finanzielle Mittel zum Wareneinkauf.

Entgegen einer weitläufigen Auffassung ist der Insolvenzverwalter auch nicht verpflichtet, dem insolventen Freiberufler die zur Ausübung seines Berufs erforderlichen Gegenstände zu belassen. Einen „Pfändungsschutz“ gibt es im Insolvenzverfahren nicht. Wenn der Insolvenzverwalter will, darf er die Praxis komplett leer räumen und alle Verträge kündigen.

Manche Insolvenzverwalter wollen den Freiberufler zusätzlich zwingen, zur Veräußerung des sogenannten „Goodwill“ der Praxis beizutragen. Dem muss der Betroffene allerdings nicht nachkommen. Der Goodwill einer Praxis besteht aus dem Kundenstamm samt Dokumentation. Der Goodwill stellt im Gegensatz zur Betriebseinrichtung den eigentlichen Wert dar. Die Verwertung des Goodwill kann nur erfolgen, indem der bisherige Praxisinhaber noch einige Jahre in der Praxis/Kanzlei mitarbeitet und den Erwerber bei den Kunden einführt.

Hierzu kann der insolvente Freiberufler nicht gezwungen werden. Auch die Mandanten-Kartei darf nur Einwilligung der Kunden einer anderen Person überlassen werden Hat der insolvente Freiberufler jedoch andere Pläne und will er mit dem Mandanten bzw. Patientenstamm seine selbstständige Tätigkeit fortsetzen, bleibt dem Insolvenzverwalter nur die Möglichkeit die Betriebs- und Geschäftsausstattung wegzunehmen und zu verwerten. Besorgt sich der Freiberufler dann neue Geräte, kann der Verwalter nichts dagegen tun, dass die Kunden den Schuldner aufsuchen. Dem Insolvenzverwalter ist es nicht erlaubt, den Goodwill zu versilbern.

Ergebnis

Die Regelinsolvenz für Freiberufler hat einige Besonderheiten. Muss der Freiberufler Insolvenz anmelden, darf er keinesfalls den Kopf in den Sand stecken und dem Schicksal seinen Lauf lassen. Vielmehr muss mit den Gläubigern und dem Insolvenzverwalter konsequent verhandelt werden, um eine Fortführung der Praxis/Kanzlei und später einen Insolvenzplan oder gar eine Freigabe aus der Masse zu erzielen. Dann bestehen trotz Regelinsolvenz gute Chancen für einen finanziellen Neuanfang.