- Ab wann besteht bei einer GmbH die Insolvenzantragspflicht?
- Erstellen und führen Sie eine laufende Unternehmensplanung
- Ermitteln Sie, ob Ihr Unternehmen zahlungsunfähig ist
- Ermitteln Sie, ob Ihr Unternehmen überschuldet ist
- Entscheiden Sie, ob Sie Ihr Unternehmen schließen oder weitermachen?
- Schlüpfen Sie unter den Schutzschirm, falls Sie weitermachen wollen
- Beantragen Sie die Regelinsolvenz, falls Sie Ihr Unternehmen aufgeben wollen
- Kennen Sie Ihre Pflichten als Geschäftsführer in der Regelinsolvenz
- Insolvenzverwalter empfehlen die „übertragende Sanierung“
- Kalkulieren Sie Ihr persönliches Regress-Risiko und schützen Sie sich davor
1. Ab wann besteht bei einer GmbH die Insolvenzantragspflicht?
Bestimmen Sie in einem ersten Schritt vor dem GmbH-Insolvenzantrag, ab wann für Ihre GmbH die Insolvenzantragspflicht besteht.
Bestimmen Sie als erstes, wo Ihre GmbH überhaupt steht und ab wann die gesetzliche Insolvenzantragspflicht voraussichtlich eintreten wird. Den Stichtag der Insolvenzantragspflicht ermitteln Sie in den ersten drei Schritten dieser Beschreibung. Beginnen Sie mit einer groben Unternehmensplanung. Auf Grundlage der Unternehmensplanung ermitteln Sie anschließend den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und den Zeitpunkt des Eintritts der Überschuldung.
Kennen Sie den Stichtag der Insolvenzantragspflicht, so wissen Sie, wie viel Zeit zur Vorbereitung auf das Insolvenzverfahren noch bleibt und können das persönliche Haftungsrisiko als Geschäftsführer besser einschätzen.
Hat die GmbH den Stichtag der Insolvenzantragspflicht bereits überschritten, erhöht sich das Haftungsrisiko des Geschäftsführers. In dieser Situation wäre es möglicherweise besser, wenn der Geschäftsführer seine privaten finanziellen Verhältnisse noch schnell neu ordnet.
Es wäre darüber hinaus wichtig zu entscheiden, was mit der GmbH geschehen soll. Will der Geschäftsführer die GmbH mit Hilfe eines Schutzschirmverfahrens sanieren und retten, sollte der Eintritt der Insolvenzreife noch nicht allzu weit überschritten sein. Bei vertiefter Zahlungsunfähigkeit lassen die Gerichte keine Unternehmenssanierung mehr zu und bestehen auf Abwicklung.
Hat der Unternehmer hingegen kein Interesse mehr an der GmbH und will sich von ihr trennen, so sollte er sich darauf konzentrieren, die „Bruchlandung“ möglichst schadlos zu überstehen. Dazu muss der Unternehmer seine Rechte und Pflichten als Geschäftsführer bei der GmbH-Insolvenz kennen. Insolvenzverwalter nutzen unwissende Geschäftsführer gerne als kostenfreie Arbeitskraft. Mit Zuckerbrot und Peitsche spannen Insolvenzverwalter den Geschäftsführer vor ihren Karren und servieren ihn ab, sobald sie ihn nicht mehr brauchen.. Davor sollte sich der Unternehmer schützen.
Nachdem Sie diesen Ratgeber gelesen haben, kennen Sie die Meilensteine der GmbH-Insolvenz und Ihre Rechte und Pflichten in groben Zügen. Gerne berate ich Sie dazu individuell und stehe mit Ihnen das Verfahren durch
2. Erstellen und führen Sie eine laufende Unternehmensplanung
Der Gesetzgeber verlangt, dass die Geschäftsführung eines Unternehmens in der Krise über eine ordentliche Planung verfügt. Die Unternehmensplanung besteht aus einer gewöhnlichen Gewinn- und Verlust-Planung sowie einer Liquiditätsplanung.
Kurz vor dem Eintritt der Insolvenzreife sollten Sie, zu Ihrem eigenen Schutz, zusätzlich täglich in einem Status-Bericht dokumentieren, wann die Insolvenzreife aufgrund Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung eintreten wird. Wie das funktioniert, erkläre ich Ihnen weiter unten.
Zunächst gebe ich Ihnen ein Beispiel, wie Ihre Unternehmensplanung aussehen könnte:
Viele kleinere GmbHs erstellen keine Unternehmensplanung. Die Geschäftsführer glauben, dies erledige der Steuerberater. Steuerberater planen jedoch nicht, sondern ermitteln Steuersätze. Erstellen Sie die Unternehmensplanung daher selbst. Leider kann man sich insbesondere in schwierigen Situationen wie einer drohenden Insolvenz nur auf sich selbst verlassen.
Die Aufstellung einer Unternehmensplanung ist einfacher, als Sie möglicherweise befürchten. Schätzwerte reichen aus, da es sich ja um eine Planung handelt. Niemand wird Sie belasten, wenn Sie in der Zukunft liegende Zahlen falsch einschätzen. Ärger gibt es aber, wenn Sie das Unternehmen überhaupt nicht geplant haben.
Die Unternehmensplanung benötigen Sie nicht nur zur Berechnung der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Vielmehr wird Ihnen die Planung später wertvolle Dienste leisten, wenn es um Ihre Entlastung vom Vorwurf einer möglichen Insolvenzverschleppung geht. Mit der Planung tun Sie sich selbst etwas Gutes.
Planen Sie eine Sanierung des Unternehmens mit dem Schutzschirmverfahren und in Eigenverwaltung, so ist die Unternehmensplanung ein MUSS. Denn das Gericht fordert den Nachweis der Unternehmensplanung und wird den Schutzschirm nur dann genehmigen.
Selbstverständlich werde ich die Planung für Ihr Unternehmen erstellen, sollten Sie sich für das Schutzschirmverfahren entschieden haben.
3. Ermitteln Sie, ob Ihr Unternehmen zahlungsunfähig ist
Ob eine GmbH zahlungsunfähig ist oder nicht, ermitteln Sie am besten anhand einer einfachen T-Tabelle:
In der linken Spalte der T-Tabelle listen Sie die liquiden Mittel auf, das heißt den aktuellen Kassenstand, den aktuellen Kontostand und den aktuell noch belastbaren Kontokorrent- oder Kreditrahmen. Zu den liquiden Mitteln gehören NICHT die Forderungen an Kunden. Ausnahme: Forderungen an AAA-Kunden wie ein DAX-Konzern.
Rechts tragen Sie die fälligen Zahlungspflichten ein, also alle Rechnungen usw., die bis heute bezahlt werden müssen.
Übersteigen die fälligen Zahlungen die liquiden Mittel um 10 %, besteht nach gesetzlicher Definition eine Deckungslücke und damit der Verdacht auf Zahlungsunfähigkeit.
Die Geschäftsführung kann den Verdacht auf Zahlungsunfähigkeit widerlegen. Hierzu muss sie anhand ihrer Unternehmensplanung nachweisen, dass sich die 10 %-Deckungslücke kurzfristig aufgrund neuer Geldzuflüsse wieder schließen wird. Je länger und je größer die Deckungslücke desto sicherer müssen die erwarteten Zuflüsse sein.
Gelingt der Nachweis nicht, gibt der Gesetzgeber dem Unternehmen eine allerletzte, maximal dreiwöchige Frist, falls die Geschäftsführung in dieser Zeit intensiv nach Krediten, Käufern oder Investoren sucht. Ist auch diese allerletzte dreiwöchige Frist erfolglos verstrichen, besteht endgültig die Insolvenzantragspflicht.
Zusammengefasst lässt sich festhalten: Die Insolvenzantragspflicht besteht, sobald die Unternehmensplanung eine dauerhafte Deckungslücke von über 10 % ergibt.
In der akuten Krisensituation erwartet der Gesetzgeber von der Geschäftsführung eine tägliche Überprüfung der Zahlungsfähigkeit. Die Geschäftsführung muss die täglich ermittelte Zahlungsfähigkeit schriftlich dokumentieren.
Die tägliche Ermittlung der Zahlungsfähigkeit in der Unternehmenskrise ist die alleinige Aufgabe des Geschäftsführers, die er nicht delegieren kann; insbesondere nicht an den Steuerberater.
Auf das Missachten der Insolvenzantragspflicht steht eine Geldstrafe und persönliche Haftung für etwaige Verspätungsschäden. Viele Geschäftsführer nehmen spätere Sanktionen bewusst in Kauf und wirtschaften trotz Insolvenzreife weiter. Da sowieso die gesamte Existenz auf dem Spiel steht, ist ihnen die Geldstrafe egal.
Entscheiden Sie selbst, ob Sie die Insolvenzantragspflicht einhalten wollen oder missachten. Beabsichtigen Sie eine Sanierung per Schutzschirmverfahren, darf die rote Linie zur Insolvenzreife nicht zu weit überschritten sein. Andernfalls wird das Gericht den Schutzschirmantrag aufgrund „vertiefter Zahlungsunfähigkeit“ abweisen.
4. Ermitteln Sie, ob Ihr Unternehmen überschuldet ist
Nachdem Sie den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ermittelt haben, klären Sie die Überschuldung. Der Insolvenzgrund der Überschuldung tritt in der Praxis weitaus seltener auf als die Zahlungsunfähigkeit.
Ob Überschuldung vorliegt, ermitteln Sie, wie auch bei der Zahlungsfähigkeit, in zwei Schritten: Im ersten Schritt überprüfen Sie die Überschuldung per Fortbestehensprognose. Bei negativer Fortbestehensprognose prüfen Sie die Überschuldung zusätzlich mit einem Vermögensstatus.
Die Fortbestehensprognose leiten Sie aus Ihrer Unternehmensplanung ab. Sie muss mindestens die Gewinn- und Verlustplanung, den Liquiditätsplan sowie die Planbilanz enthalten. Zudem müssen Sie kurz erklären, wie Sie sich die Zukunft Ihres Unternehmens vorstellen.
Fällt die Überschuldungsprüfung per Fortbestehensprognose positiv aus, ist die Prüfung beendet und Ihr Unternehmen nicht überschuldet.
Ermitteln Sie jedoch eine negative Fortbestehensprognose – beispielsweise nachdem Sie bei der Überprüfung der Zahlungsfähigkeit eine endgültige Deckungslücke von über 10 % festgestellt haben -, müssen Sie die Überschuldungsprüfung mit einem Vermögensstatus fortführen.
Ein Vermögensstatus ist eine einfache T-Tabelle mit den Vermögenswerten auf der linken Seite und den Verbindlichkeiten auf der rechten Seite. Übersteigen die Verbindlichkeiten die Vermögenswerte, ist das Unternehmen überschuldet.
Der Wertansatz, mit welchem Sie die Aktiva Ihres Unternehmens im Vermögensstatus notieren, ist abhängig von der Fortbestehensprognose. Bei positiver Fortbestehensprognose setzen Sie die Buchwerte an und bei negativer Fortbestehensprognose die Liquidationswerte.
Aufgrund der unterschiedlichen Wertansätze, die von einer positiven oder negativen Fortbestehensprognose abhängen, ist ein Unternehmen mit negativer Fortbestehensprognose zugleich stets überschuldet.
Im Ergebnis kommt es sowohl bei der Überschuldungsprüfung als auch bei der Überprüfung der Zahlungsunfähigkeit auf die per Unternehmensplanung zu ermittelnde Deckungslücke an. Ab einer dauerhaften Deckungslücke von über 10 % besteht Insolvenzantragspflicht.
5. Entscheiden Sie, ob Sie Ihr Unternehmen schließen oder weitermachen?
Nachdem Sie einschätzen können, an welchem Stichtag die Insolvenzantragspflicht ungefähr eintreten wird, entscheiden Sie über das Schicksal der GmbH: Wollen Sie die GmbH sanieren, verkaufen oder aufgeben?
Entscheiden Sie zunächst persönlich für sich selbst und grundsätzlich, ob Sie das Unternehmen überhaupt fortführen wollen. Vielleicht haben Sie inzwischen neue Pläne oder Sie wollen nicht mehr länger selbständig sein. In diesem Fall lohnt sich der mühevolle Weg einer Sanierung nicht. Dann ist es besser, Sie geben die GmbH auf.
Eine Sanierung muss aber auch machbar sein. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn die Ursache der Unternehmenskrise auf der Kostenseite liegt. Denn unsinnige Kosten lassen sich im Sanierungsverfahren ohne weiteres abstellen.
Besteht bei Ihrem Unternehmen jedoch ein Umsatzproblem, beispielsweise weil das Marktumfeld Ihres Unternehmens schrumpft und die Nachfrage sinkt, ist das Unternehmen nur eingeschränkt für eine Sanierung geeignet. Im Schutzschirmverfahren kann das Unternehmen zwar an die neuen Marktbedingungen angepasst und verkleinert werden, aber wenn die Aufträge weiterhin sinken, hat das Unternehmen kurze Zeit später wieder ein Problem.
Das Sanierungsverfahren kann die Betriebskosten reduzieren und das Unternehmen neu ordnen, aber wenig zur Steigerung der Nachfrage beitragen.
Für das Sanierungsverfahren selbst brauchen Sie Standhaftigkeit und Durchhaltevermögen. Oft scheint die Situation hoffnungslos und einen Moment später werden Sie wieder euphorisch sein. Diese Unsicherheit müssen Sie ca. 8 Monate lang aushalten.
Den Erfolg einer jeden Sanierung begünstigt die Sonderzahlung von außen. Würde sich beispielsweise eine Person aus der Unternehmerfamilie oder ein Investor unter der Bedingung, dass das Sanierungskonzept zu einem erfolgreichen Abschluss kommt, zu einer Sonderzahlung bereit erklären, wird sich eine solche Einlage begünstigend auf den Sanierungserfolg auswirken.
6. Schlüpfen Sie unter den Schutzschirm, falls Sie weitermachen wollen
Die Sanierung einer GmbH – also der Erhalt des Unternehmens und dessen Entschuldung – erfolgt mit Hilfe des Schutzschirmverfahrens.
Das Schutzschirmverfahren stellt Ihr Unternehmen zunächst unter Gläubigerschutz. Unter dem Schutzschirm bezahlt das Unternehmen nur das, was für den Geschäftsbetrieb notwendig ist. Die Arbeitsagentur übernimmt für drei Monate die Gehälter.
Mit Hilfe dieser Effekte wird sich in Ihrem Unternehmen innerhalb weniger Monate einiges an Liquidität ansammeln. Mit dieser Liquidität kaufen Sie Ihr Unternehmen am Ende der Sanierung frei. Hierzu unterbreiten Sie den Gläubigern einen speziellen Vergleich: Sie bieten den Gläubigern ca. ein Drittel des angesparten Cash-Bestandes als Quote. Mit dem zweiten Drittel begleichen Sie die Verfahrenskosten und der Rest verbleibt als Working-Capital im Unternehmen.
Diesen speziellen Vergleich nennt man Insolvenzplan. Da der Insolvenzplan die Rechte der Gläubiger beschneidet, überwacht der zuständige Insolvenzrichter argwöhnisch, ob der Unternehmer mit Hilfe des Insolvenzplans versucht, die Gläubiger „für dumm zu verkaufen“. Der Richter stellt damit die eigentliche Hürde für den Erfolg des Insolvenzplans dar. Der Abstimmungstermin der Gläubiger über den Insolvenzplan verläuft hingegen reibungslos.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist das Schutzschirmverfahren machbar, wenn das Unternehmen nach Einstellung allen Schuldendienstes und überflüssiger Zahlungspflichten folgende Bedingungen erfüllt:
- Der Geschäftsbetrieb muss wieder Gewinn erwirtschaften, also rentabel sein.
- Das Unternehmen hat genügend Liquidität für den Insolvenzplan angespart.
Die Mindesthöhe der für den Insolvenzplan erforderlichen Ansparung werden wir bei der Vorbereitung des Schutzschirmverfahrens in der Sanierungsplanung errechnen. Damit steht die Zielgröße von Beginn an fest und die Geschäftsführung kann sich daran orientieren.
Verfehlt das Unternehmen die für den Insolvenzplan erforderliche Ansparung, kann es sich nicht aus dem Verfahren freikaufen. In diesen Fällen hilft ein Sponsor weiter, der frisches Kapital investiert. Die Ansparung erfolgt idealerweise innerhalb des Insolvenzgeld-Zeitraums, da der Liquiditätszuwachs dann am größten ist.
7. Beantragen Sie die Regelinsolvenz, falls Sie Ihr Unternehmen aufgeben wollen
Scheint die Sanierung des Unternehmens mit dem Schutzschirmverfahren aussichtslos oder will der Unternehmer den Betrieb aus anderen Gründen schließen, beantragt er die reguläre Insolvenz.
Den Insolvenzantrag stellt der Unternehmer selbst oder besser mit anwaltlicher Hilfe. Das richtige Antragsformular steht zum Herunterladen auf den jeweiligen Webseiten der zuständigen Insolvenzgerichte bereit.
Muss der Geschäftsführer den Insolvenzantrag mangels finanzieller Mittel für die anwaltliche Honorierung selbst ausfüllen, sollte er nicht an dem seitenlangen Fragebogen verzweifeln. Nehmen Sie den Fragebogen nicht allzu ernst und zeigen Sie Mut zur Lücke. Im Gegensatz zur Privatinsolvenz, bei der Sie die Restschuldbefreiung anstreben, erfüllen Sie beim GmbH-Insolvenzantrag „nur“ eine gesetzliche Pflicht. Es reicht aus, wenn Sie das Antragsformular ungefähr ausfüllen, denn viele der angeforderten Informationen, wie beispielsweise die aktuellen Schuldenstände, stehen noch gar nicht fest.
Ab welchem Zeitpunkt der Insolvenzantrag spätestens gestellt werden muss, haben Sie in den Kapiteln zur Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung erfahren. Beantragen Sie die Insolvenz besser früher als später und schieben Sie die Entscheidung darüber nicht zu lange vor sich her. Mit jedem Tag des Zögerns verschlechtern Sie die Wahrscheinlichkeit, dass Sie als Geschäftsführer einer insolventen GmbH der privaten Haftung entgehen.
Ist der Insolvenzantrag bei Gericht eingereicht, wird Sie je nach Unternehmensgröße und insbesondere Anzahl der Mitarbeiter ein netter Herr oder eine nette Dame kontaktieren. Das ist der (vorläufige) Insolvenzverwalter. Beim ersten Treffen zeigen sich diese Herrschaften in der Regel wirklich nett und hilfsbereit. Die Gemeinheiten folgen später.
Der Insolvenzverwalter bestimmt ab sofort das unternehmerische Geschehen und kontrolliert insbesondere die Geschäftskonten und die Ausgaben. Ihr Job als Geschäftsführer hat ab sofort jeden Spaßfaktor verloren. Deshalb rate ich Ihnen, dass Sie sich vom Unternehmen möglichst fernhalten. Es ist besser, Sie bleiben zu Hause und arbeiten an Ihrer neuen wirtschaftlichen Existenz.
8. Kennen Sie Ihre Pflichten als Geschäftsführer in der Regelinsolvenz
Lernen Sie nun Ihre Rechte und Pflichten als Geschäftsführer in der Regelinsolvenz kennen. Ihre Rechte sind schnell erklärt: keine!
Die Pflichten sind ebenfalls bei weitem nicht so umfangreich, wie Insolvenzverwalter den Geschäftsführern in der Regel einreden. Die EINZIGE Pflicht des Geschäftsführers einer insolventen GmbH besteht darin, dem Insolvenzverwalter alle zur Betriebsfortführung notwendigen Informationen und Zugänge zu verschaffen.
Weitere Pflichten als die Informations- und Zugangsverschaffung bestehen nicht. Ist ein Prokurist oder Arbeitnehmer mit ähnlicher Funktion im Unternehmen angestellt, der diesen Job übernehmen kann, ist der Geschäftsführer von diesen Pflichten befreit.
Soweit zur Theorie. Die Praxis sieht so aus, dass sich die Geschäftsführer dem Unternehmen verpflichtet fühlen. Mit vollem Einsatz erscheinen sie täglich im Betrieb. Die Insolvenzverwalter wissen, das falsch verstandene Pflichtgefühl des Geschäftsführers auszunutzen. Sie lassen den Geschäftsführer in dem Glauben und nutzen dessen Einsatzbereitschaft aus.
Nach meiner Erfahrung hat noch nie ein Gesellschafter-Geschäftsführer für seine Tätigkeit während der Insolvenz eine Vergütung erhalten. Es kann sein, dass der Insolvenzverwalter eine Vergütung verspricht, er bezahlt aber nicht. Viele Geschäftsführer verschließen sich der Realität und arbeiten monatelang ohne Entlohnung weiter. Hat der Insolvenzverwalter einen Käufer für das Unternehmen gefunden, wird der Geschäftsführer entlassen.
Mag sein, dass es mit dem Unternehmen weitergeht. Aber nicht mit dem Geschäftsführer und nicht mit dem Unternehmer. Deshalb mein Rat: Vermeiden Sie diese demütigende Situation.
Geben Sie mit der Insolvenzeröffnung den Schlüssel ab und überlassen Sie die GmbH dem Insolvenzverwalter. Es war ohnehin Ihre Absicht, die GmbH aufzugeben. Andernfalls hätten Sie das Schutzschirmverfahren zur Rettung gewählt.
9. Insolvenzverwalter empfehlen die „übertragende Sanierung“
Möglicherweise wollen Sie noch wissen, was mit der GmbH in der Insolvenz geschieht. Das erkläre ich Ihnen in diesem Kapitel:
Nach dem Gesetz soll der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb eines insolventen Unternehmens möglichst fortführen. Fällt der bisherige Geschäftsführer aus, wird der Insolvenzverwalter selbst die Fortführung versuchen. Erfahrungsgemäß sind die Mitarbeiter dazu bereit, ihm zu helfen.
Die Betriebsfortführung hat zum Ziel, dass der Insolvenzverwalter das Unternehmen möglichst im Ganzen verkaufen kann, weil der Verkauf im Ganzen (dem Insolvenzverwalter) das meiste Geld einbringt. Den Verkauf eines insolventen Unternehmens nennt man „übertragende Sanierung“.
Der Insolvenzverwalter verkauft dabei nicht so wie im richtigen Leben die Gesellschaftsanteile, sondern die einzelnen Vermögensgegenstände, die Vertragsbeziehungen, den Goodwill, usw. Übrig bleibt ein leerer, überschuldeter Gesellschaftsmantel. Diesen wickelt der Insolvenzverwalter ab.
Der Unterschied zwischen dem Schutzschirmverfahren und der übertragenden Sanierung besteht also darin, dass das Schutzschirmverfahren die GmbH im Ganzen erhält. Bei der übertragenden Sanierung hingegen werden die einzelnen Bestandteile im Ganzen verkauft und die übrigbleibende Hülle entsorgt.
Der Vorteil der übertragenden Sanierung besteht darin, dass die Bonität der aufkaufenden GmbH nicht belastet ist und dass alle Verträge mit Dritten wie beispielsweise Mietverträge, Kundenverträge, usw. nicht automatisch auf das neue Unternehmen übergehen. Das neue Unternehmen muss sich um jeden Vertrag, den es übernehmen will, neu bemühen.
Für den betroffenen Unternehmer, der sein Unternehmen behalten will, ist die übertragende Sanierung immer schlechter als der Schutzschirm. Will der Unternehmer sein Unternehmen per übertragender Sanierung zurückkaufen, braucht er Geld. Weil Ersparnisse nicht mehr vorhanden sind, scheitert die übertragende Sanierung.
10. Kalkulieren Sie Ihr persönliches Regress-Risiko und schützen Sie sich davor
Oft bringt eine GmbH-Insolvenz auch die Geschäftsführer und die Gesellschafter in Zahlungsschwierigkeiten. Leider sind die Gesetze sehr unternehmerfeindlich ausgestaltet.
Zwar schützt die GmbH den Gesellschafter wirklich effektiv vor persönlicher Haftung und ist beschränkt auf das einzuzahlende Stammkapital, aber häufig haftet der Gesellschafter mit einer Bürgschaft für den Unternehmenskredit. Die gesetzliche Haftungsbeschränkung des Gesellschafters ist also ausgehebelt.
Vor allem aber den Geschäftsführer machen Finanzämter, Sozialversicherungsträger und der Insolvenzverwalter gerne zum Prügelknaben. Der Geschäftsführer haftet persönlich für nicht abgeführte Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung und für rückständige Unternehmenssteuern per Durchgriffshaftung. Hat der Geschäftsführer den Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt, haftet er des Weiteren für alle Geldabflüsse aus der GmbH ab Überschreiten der Insolvenzreife. Möglicherweise wird man den Geschäftsführer darüber hinaus für falsche unternehmerische Entscheidungen verantwortlich machen.
Dem von der GmbH-Insolvenz betroffenen Geschäftsführer will ich mit diesen Zeilen keine schlechte Laune machen, vielleicht geht der Kelch derartiger persönlicher Haftungsansprüche ja an ihm vorüber. Aber ich möchte auf das enorme Haftungsrisiko hinweisen, sodass er vorgewarnt ist und sich in Position bringen kann.
Doch auch das „Geld verstecken“ will gelernt sein, weil auch hier eine Reihe erschwerender gesetzlicher Verbote entgegenstehen. Beispielsweise ist es verboten, einem Gerichtsvollzieher Vermögenswerte zu verschweigen (wobei allerdings bis zur Abgabe einer Vermögensauskunft noch erheblicher Gestaltungsspielraum besteht).
Bedenklich wäre es darüber hinaus, in Kenntnis der unmittelbar anstehenden GmbH-Insolvenz ein Kontoguthaben an den Ehepartner oder Freund zu überweisen oder eine Lebensversicherung zu übertragen. Würde sich der Geschäftsführer später zu einem Insolvenzverfahren nach deutschem Recht entschließen, wäre diese Übertragung anfechtbar und würde dem Ehegatten bzw. Freund einige Schwierigkeiten bereiten.
Vollkommen ausgeliefert ist der Geschäftsführer aber dennoch nicht. Ein gewisses „Katz-und-Maus-Spiel“ ist durchaus erlaubt. Insbesondere besteht keine Pflicht, den Gläubigern das private Vermögen widerstandslos auf einem Servierteller zu überlassen.
Es hat sich nach meiner Erfahrung bisher immer gelohnt, darüber nachzudenken, wie man den Geschäftsführer in eine möglichst vorteilhafte Position bringen kann, um ihn vor persönlicher Haftung zu schützen.